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Die Verteilung der Welt im Wandel der Jahrhunderte.
Als selbstverständlich beanspruchen sie eine Vormachtstellung in
in der Welt1). Es ist ihnen zum Dogma geworden, daß die englische
Flotte stärker sein müsse, als die Kriegsflotten zweier anderen Staaten
zusammen; sie betrachten es als ein „Unrecht", wenn jemand dieses
Dogma antastet.
Ihr nationales Selbstgefühl nimmt alles in der Welt für sich in
Anspruch, sieht in jedem Gewinn anderer einen eigenen Verlust, hält
es für ein Verbrechen, wenn jemand die Segnungen ihrer Kultur
nicht annehmen will.
Wie die alten Römer, stellen sie die Religion in den Dienst der
Politik^). Ohne an die zahlreichen rücksichtslosen Grausamkeiten zu
denken, die sie selbst verübt haben, entrüsten sie sich über Christen-
Verfolgungen in der Türkei, über Negermißhandlungen in Afrika, ja
über die „Verfolgung" der Polen in Preußen.
2. England und wir:
a) Das Erstarken des Preußischen Königreichs und des neuen
deutschen Kaiserreichs hat England stets mit eifersüchtigen Blicken ver-
folgt und zu verhindern gesucht. Welche Hemmungen sind von dort
ausgegangen!
Als Friedrich der Große am Ende des siebenjährigen Krieges in
der allergrößten Bedrängnis war, hat England plötzlich seine Hilfe
zurückgezogen; das war Verrat.
1789/90 bot sich für Preußen die Gelegenheit, die österreichischen
Niederlande (Belgien) zu gewinnen; England hat dies vereitelt.
Am schmählichsten war das Verhalten der Engländer auf dem
Wiener Congreß 1814/5. Durch England wurden Preußen und Deutsch-
land um die Früchte ihrer Siege gebracht: Elsaß-Lothringen blieb bei
Frankreich; Englands Politik verdanken wir die unabhängigen „Puffer-
staaten" an der Westgrenze, Holland, Belgien, Schweiz; durch Eng-
lands Schuld ist auch Preußens Ostgrenze so ungünstig geworden.
1851/2 ist Preußen nicht vor Dänemark, sondern vor England
zurückgewichen.
1870/1 hat England, wo es konnte, Bismarcks Politik zu hemmen
gesucht.
In den letzten 25 Jahren hat es der kolonialen Ausbreitung des
deutschen Reiches überall Schwierigkeiten bereitet.
1) Das hat noch 1909 Lord Curzon, der frühere Vizekönig Indiens, aus-
gesprochen.
2) Noch im Jahre 1909 veröffentlichten die Erzbifchöfe von Canterbury
und Aork, sowie andere kirchlichen Würdenträger einen Aufruf, in welchem
dringend verlangt wird, daß alle Kirchen des Landes ihren Stimmen Gehör
verschaffen möchten wider die unvermindert fortdauernde grausame Tyrannei,
welche im Kongogebiet herrsche. Die Unterzeichner geben der Überzeugung
Ausdruck, daß die Staatsmänner aller zivilisierten Länder auf den Aufruf ant¬
worten werden, erklären aber, daß England, falls es sich als nötig erweise,
für sich allein vorgehen müsse.