Full text: Angewandte Geschichte

Staatsformen und Staatsverfassungen. 
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A. Die ständisch beschränkte Monarchie des 
späteren Mittelalters. 
1. Das deutsche Reich: 
Aus dem allgemeinen Chaos erhob sich schließlich durch die 
Tüchtigkeit Heinrichs I. (919—936) und Ottos I. (936—973) das 
mächtige deutsche Reich. Unter den sächsischen (919—1024), salischen 
(1024—1125) und staufischen (1127—1254) Kaisern bildete es die 
Vormacht Europas. Aber es ist den bedeutendsten unter ihnen, Otto 1. 
dem Großen, Konrad II., Heinrich III., Friedrich I. Barbarossa, 
Heinrich VI., nicht mehr gelungen, wiederum eine starke Zentralgewalt 
zu schaffen. Sie konnten es nicht hindern, daß neben dem König- 
Kaiser die Stände zu immer größerer Macht und Selbständigkeit 
gelangten: die weltlichen Fürsten, 
die geistlichen Fürsten, 
später die Reichsstädte. 
Das Ergebnis? Deutschland wurde ein Wahlreich. Ich sage 
„wurde"; denn es war nicht mehr und nicht weniger ein Wahlreich, 
als die Nachbarländer. Aber der Gegensatz zum Papsttum, zusammen 
mit dem Kamps gegen die aufstrebenden Stände, haben es zu einem 
Wahlreich gemacht. Jahrhunderte lang (919—1254) ist die Krone in 
der sächsisch-salisch-staufischen Familie geblieben. Der erste Angriff aus 
das Erbrecht wurde 1077 gemacht, dann mü wachsendem Ersolg 1125, 
1138, 1197, 1245, 1273, und im Jahre ^356 wurde das ganze 
Wahlverfahren urkundlich in der Goldenen Bulle festgelegt. 
Die Beschränkung der Monarchie lag fortan besonders: 
in den Wahlkapitulationen, durch welche man den zu 
wählenden König zu binden suchte; 
in der Macht des Kurfürstenkollegiums; 
in den Reichstagen. 
2. In England waren die Verhältnisse ähnlich. 1215 ist das 
vielgefeierte Jahr der berühmten Magna Charta; damals vereinigten 
sich der hohe weltliche und geistliche Adel gegen den gewissenlosen König 
Johann ohne Land und setzte folgende Bestimmungen durch: 
a) Der Geistlichkeit wurde gänzliche Befreiung von der 
weltlichen Gerichtbarkeit und den Lehnsmannen Ermäßigung 
der Lehnsgebühren zugesichert; 
b) Ohne Bewilligung des Adels und der Geistlichkeit auf 
den Reichsverhandlungen sollten keine Steuern erhoben, keine 
Auflagen gemacht und den Städten keine Zölle auferlegt werden.
	        
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