Full text: Angewandte Geschichte

Der extreme Individualismus, die Entartung der Freiheit u. Gleichheit ac. 31 
<Xvfrpwuo<;, d. h. „das Geld macht den Menschen; er gilt nicht so viel, 
wie er ist, sondern wie er hat". Im nächsten (4.) Jahrhundert klagt 
Aristoteles, die Tapferkeit sei jetzt da, um Geld zu erringen; die 
Kriegs- und die Heilkunst nicht, um Sieg und Gesundheit zu verschaffen, 
sondern Geld. „Was machen sie aus alle dem? eine Geldspekulation, 
als wäre das Geld das Ziel und der Zweck von allem?" 
Verhängnisvoll war die soziale Umschichtung, die durch die 
Herrschast des Geldes herbeigesührt wurde. Die schrankenlose 
Freiheit wurde die Ursache der größten sozialen und wirt- 
schastlichen Ungleichheit. Da eine starke Staatsgewalt fehlte, welche 
die gemeinsamen Interessen geschützt und die widerstrebenden Sonder¬ 
inte reffen ausgeglichen hätte, und da die bürgerliche Gesellschaft sich selbst 
überlaffen war, so brachte der Egoismus, diese Art von „Freiheit", die 
traurigsten Früchte. Das Geld 
verdrängte den Kleinbauer, 
verdrängte den Krämer, 
verdrängte den Handwerker. 
Rücksichtslos nutzte der Kapitalist die überlegene Macht seines Geldes 
aus. Immer mehr wurde alle Arbeit industrialisiert; dazu kam die 
wachsende Verwendung von Sklaven in den Fabriken. Das führte 
dahin, daß allmählich alle Handarbeit für schimpflich, eines sreien 
Mannes unwürdig angesehen wurde. Hatte in der ersten Hälfte des 
5. Jahrhunderts ein gefunder, kräftiger Mittelstand den Hauptbestand- 
teil des athenischen Staates gebildet, so schwoll in der zweiten Hälfte 
in erschreckendem Maße das besitzlose Proletariat an. 
Bei der wachsenden Demokratisierung aller Verhältnisse war der 
Unterschied zwischen Geburtsadel und Volk geschwunden. Aber eine 
neue Kluft hatte sich aufgetan, viel fchlimmer, zwischen den „Wenigen" 
und den „Vielen"; der Mittelstand schmolz zusammen. 
b) Die Herrenmoral: 
Diese Entwicklung wurde unterstützt und gefördert durch den 
Geist der Aufklärung, durch die Lehre der Sophisten, welche den 
extremsten Subjektivismus, die einseitigste Betonung der individuellen 
Freiheit wissenschaftlich begründeten und für allein berechtigt erklärten. 
Protagoras fagte, ob es Götter gebe oder nicht, wage er nicht zu ent- 
scheiden; an Stelle der entthronten Götter setzte er seine eigene Vernunft 
auf den Thron und brachte alle Angelegenheiten vor ihr Forum. Er 
hat das Wort geprägt: „Der Mensch (d. h. ich) ist das Maß 
aller Dinge", und dieser Satz wurde sür Tausende ein srohes
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.