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gekommen war, zu trösten und zu erbauen, jedes
Mal erbauter, gestärkter und beschämter zurück.
Einst fühlte derselbe, Abends schon spät, einen
heftigen Antrieb, noch einmal hinzugehen. Er ging.
Tiefe Stille herrschte im Zimmer, das von einer
schwachen Lampe nur wenig beleuchtet ward. Man
merkte ihn kaum , als er hinein trat. Frau und Kin¬
der vergassen ihrer eigenen Krankheit, und jam¬
merten nur über den Vater. Als jener nun ins dunkle
Bette hinein sah, fand er ihn aufrecht sitzen , sein
Haupt entbleist, die Mütze in beiden gefabenen
Händen , und sein brechendes Auge gen Himmel
gerichtet. Er redete ihm zu , und noch schien der
Sterbende ihn zu kennen; aber seine Sinne waren
bereits ganz verwirrt; fein Verstand war wirklich
dahin. Aber mit Inbrunst hielt er seine Hände empor,
sah gen Himmel , und betete mit abgebrochenen
Worten , aus dem innigsten und vollesten Herzen ,
gedachte auch noch in seinem Gebete der Seinigen,
seiner Wohlthäter, und auch seines Freundes, des
Predigers. Dieser fand am folgenden Morgen die
Frau allein auf dem Bette. Sie sah ihn starr an,
zeigte auf ein langes, in der Ecke des Zimmers auf
der Erde ausgebreitetes Bettuch, unter welchem
die Leiche ihres Mannes lag. — Er ist — sanft —
eingeschlafen, sagte sie mit schwerer Zunge, zeigte
auf sich, dann gen Himmel, und schien sagen zu
wollen , dass sie ihm bald folgen würde. — Nach 24
Stunden hatten fünf unversorgte Kinder keine Ael-
tern mehr. Beide wurden an Einem Tage beerdiget,
und ein gemeinschaftliches Grab deckt ihre Asche.
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Gib Acht auf den Frommen, und siehe auf den
Aufrichtigen; denn sein Ende wird Friede
seyn.
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Hier übt die Tugend ihren Fleiss;
Und jene Weit reicht ihr den Preis.
Gedichte