Friedrich Wilhelm I. 53
und dabei freute er sich, daß das ganze Gericht nur 10 Dreier koste. Er ließ sich
das Rezept geben und bald darauf von seinem Koch dasselbe Gericht bereiten; aber
es schmeckte ihm nicht so gut, denn die beigelegte Rechnung belief sich aus 9 M..
Damit die Fleischrechuuug nicht so groß würde, befahl der König, vornehmlich Ge¬
richte von Wild und wildem Geflügel herzurichten. — Traf hoher Besuch ein, so
durfte der Küchenzettel etwas reichlicher fein. Als Peter I. vcn Rußland kam, schrieb
der König an das Finanzdirektorium: „Ich will 9000 M. bestimmen, daß ich den
Zaren freihalten kann von Memel bis Wesel; aber vor der Welt sollen sie ein
Geschrei machen von 90 bis 120 000 M., das es mir koste."
Nach aufgehobener Tafel machte der König gerne in geringer
Begleitung einen Spazierritt oder eine Spazierfahrt, besah angefangene
Bauten, Garten- und Feldanlagen und ließ sich dabei von jedermann
gerne sprechen. Für Ordnung und Reinlichkeit auf Straßen und in
Hänsern hatte der König ein scharfes Auge. Er selber war ängstlich
sauber: er wusch sich täglich wohl zehnmal, auch während der Mahlzeit.
Um Staub zu vermeiden, duldete er in seinen Zimmern keine Polster-
möbeln, und beim Schreiben band er eine Schürze vor und zog Über-
ärmel an.
Em Bauer überreichte dem Könige einst während eines Spazierritts ein mit
Dintenklexen unb dicken Strichen bedecktes Blatt Papier. Auf Befragen, was dies
zu bebeuten habe, erklärte der Bauer: bie Striche feien seine Rübenfelder, bie Klexe
bes Amtmanns Schweine, die ihm sein Feld verwüsteten. Der König sorgte dafür,
daß ber Bauer entschädigt würbe. — Freilich, wer kein gutes Gewissen hatte, kam
bem Könige nicht gern unter bie Augen. Am meisten waren ihm bie Tagebiebe
zuwiber; sah er Arbeiter bei Bauten müssig stehu, so gebrauchte er ohne weiteres
seinen Knotenstock. Wer ben König daher kommen sah, tief davon ober arbeitete mit
verboppeltem Eifer. Einst holte er einen solchen Flüchtling ein. Auf bie Frage:
„Warum läufst bu davon?" erhielt er die Antwort: „Weil ich mich vor Ew.
Majestät fürchte." Da geriet der König in Zorn. „Ihr sollt mich nicht fürchten,
ihr sollt mich lieben!" und dabei bläuete er beut Menschen den Rücken. Den Pots-
damer Thorfchreiber, der die Bauern des Morgens fo lange vor dem Thore warten
ließ, ehe er öffnete, prügelte der König höchsteigenhändig und mit den Worten:
„Guten Morgen, Herr Thorschreiber!" ans dem Bette. Auch die Modenärrinnen
gerieten in Angst, wenn sie den König nur von ferne witterten. Er riß ihnen ba3
anslänbifche Tuch vom Leibe unb drang in ihre Häuser ein und zerriß ihnen die ans
fremdem Tuche gemachten Fenster- und Bettvorhänge.
Nach feiner Rückkehr von dem Spazierritt besorgte der König noch
einige notwendige Geschäfte und ging, wenn er in Potsdam oder Wuster-
hausen war, seltener in Berlin, um 5 oder 7 Uhr in die Abendgesellschaft,
das berühmte Tabakskollegium. Die Gesellschaft bestand aus
6—8 seiner vertrautesten Generäle und Minister; doch wurden auch
durchreisende Professoren, auch Hauptleute und Lieutenants dazu geladen,
wenn sie sich durch Kenntnisse und Witz auszeichneten. Alle Hofsitte
war hier beifeite gesetzt, der König galt hier nur als Oberst seines
Regiments; es durfte sich niemand erheben, wenn er kam, noch wenn er¬
ging. Auf dem Tische stand ein Körbchen mit Tabak, aus dem jeder
seine kleine holländische Thonpfeife stopfen mußte; wer nicht rauchte, wie
der alte Desfauer, mußte doch eine Pfeife im Munde haben. Jeder
Gast fand vor sich einen Krug Bier, und auf einem Nebentische stand
Butterbrot, Schinken und Braten. Jeder nahm nach Belieben, Bediente
waren nicht zugegen. Einer der Hofgelehrten und Hofnarren lz. B.