§16
Die Türkenkriege.
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C. Die Begründung der österreichisch-ungarischen Großmacht.
Unter den größeren Mächten Europas war in der Mitte des 17. Jahrhunderts
die österreichische die kleinste. Sie umfaßte die Herzogtümer Osterreich, Steier-
mark, Kärnten, Krain, Tirol, das Königreich Böhmen mit Mähren und Schlesien,
die Vorlande in Schwaben und den schmalen westlichen Streifen von Ungarn.
Erst während des Dreißigjährigen Krieges hatte die steirische Linie
des Hauses Habsburg, die mit Ferdinand II. zur Regierung gekommen
war, im eigenen Lande eine gesicherte Herrschaft gewonnen. Vorher hatten
die Protestanten nach dem Ausbau einer starken ständischen Verfassung ge-
trachtet, da sie hierin allein eine Gewähr der Freiheit ihres Bekennt-
nisses den strengkatholischen Landesherren gegenüber zu finden glaubten. Nach
der Schlacht am Weißen Berge (1620) waren sie aus allen österreichischen
Landen vertrieben oder unterdrückt worden. Im Westfälischen Frieden war
ihnen die Heimat verschlossen geblieben, der Friede hatte sogar die Macht
des Herrscherhauses in allen Provinzen noch befestigt. Die Aufstellung eines
eigenen Heeres während der zweiten Hälfte des Krieges hatte das Ansehen
des Kaisers im Reiche, ja in ganz Europa gehoben.
Zu einer Großmacht aber wurde Österreich erst in der zweiten Hälfte
des Jahrhunderts unter Leopold I. (1658—1705), als es gelang, den (f6e5°J0/J0Jj
Türken Ungarn zu entreißen.
§ 16. Die Türkenkriege. Im Jahre 1664 besiegte der österreichische et. warb
General Graf Montecuccoli an der Spitze eines christlichen, aus Hilfs-
korps verschiedener europäischer Fürsten zusammengesetzten Heeres die Türken
bei St. Gotthard a. d. Raab. Während des darauffolgenden mehr-
jährigen Waffenstillstandes versuchte Leopold die Versassnng Ungarns um¬
zustoßen und verfolgte die dort lebenden Protestanten. Hiergegen erhoben
sich die Ungarn unter Tököly und fanden bei den Türken und den
Franzosen Unterstützung.
Im Jahre 1683 führte der Großwesir Kara Mustafa ein türkisches
Heer nach Österreich und belagerte Wien. Die Stadt wurde mehrere (1683).
Wochen lang von dem Grafen Rüdiger von Starhemberg umsichtig
und tapfer verteidigt, während inzwischen der Herzog Karl von Loth-
ringen, dem der Kaiser den Oberbefehl übertragen hatte, ein Entsatzheer
sammelte. Aus allen Teilen des Reiches stießen Hilfstruppen zu ihm, so die
Bayern unter dem Kurfürsten Max Emauuel, die Sachsen unter Johann
Georg; auch der König Johann Sobieski von Polen schloß sich an.
Durch ihren Sieg amKahlenberge wurde Wien von den Türken befreit.
Nach diesem Erfolge ging der Kaiser zum Angriffe vor; feine Truppen Angriffs
eroberten während der nächsten Jahre in ruhmreichen Feldzügen das östliche
Ungarn. Nach der Einnahme von Ofen (1686) und der Schlacht bei
Mohacs (1687) übertrug der ungarische Reichstag zu Preß bürg dem
Hause Habsburg die erbliche Königswürde; Ungarn wurde in Personal-
union mit Österreich vereinigt.
Da gleichzeitig die Venezianer die Türken in Morea und die
Russen unter Peter dem Großen sie am Asowschen Meere angriffen