E. Das Emporkommen Preußens.
Nachdem sich der Westen und der Osten Europas politisch gefestigt
hatte«, wäre die Mitte in ihrem Zustande eines losen Nebeneinanders kleiner
Staaten zwischen den großen Mächten untergegangen und die deutsch-pro-
testautische Geistesbildung damit.heimatlos geworden. Seitdem Frankreich stch
am Rheine nur das Reich und Österreich gegenüber sah, der Kaiser durch seine
Türkenkriege beschäftigt war, und bereits russische Truppen an der Oder-
mündnng gekämpft hatten, war diese Gefahr in unmittelbare Nähe geruckt
worden.
Für die deutsche, ja auch für die europäische Geschichte ist es daher ein
Ereignis von unabsehbarer Tragweite geworden, daß damals in der Mitte
Europas eine neue, rein deutsche Großmacht entstand: die preußische
Monarchie. Sie ist hervorgegangen aus der Mark Brandenburg.
Der Brandenburgische Staat erwuchs in dem Kolonialgebiete rechts der
Elbe, das im 12. und 13. Jahrhundert von den Deutschen erobert und besiedelt
worden war. Von den Askaniern erobert und germanisiert, hat die Mark
nach ihrem Aussterben 300 Jahre lang ihre Grenzen nur wenig geändert;
sie geriet in eine traurige Zerrüttung unter den Wittelsbachern und den
Luxemburgern, aus der sie erst die Hohenzollern gerettet und wieder-
hergestellt haben. Mit weitausschauendem Blick waren diese srüh auf den
Machtzuwachs ihres Hauses bedacht, und als im 17. Jahrhundert nach einer
Reihe bedeutender Erbanfälle ihre Gebiete sich quer über Norddeutschland
vom Rheine bis zur Memel erstreckten, begann unter dem Großen Kurfürsten
Brandenburgs Bedeutung für die deutsche Geschichte.
Die Mark Brandenburg vor der Zeit des Großen Kurfürsten.
§ 25. Die Askanier (1134—1320). Als der germanische Stamm der Kälteste
Semnonen in der Zeit der Völkerwanderung das Land zwischen Elbe
und Oder verlassen hatte, nahmen es die slawischen Wenden in Besitz.
Sie lebten mit ihren germanischen Nachbarn jenseit der Elbe, den Sachsen,
beständig im Kriege, in den auch Karl der Große eingriff, als er sein
Reich bis in diese Gegenden ausdehnte.
Eine planmäßige Eroberung des Wendenlandes versuchten später die Heinrich i.
Könige aus dem sächsischen Hause; Heinrich I. nahm die Stadt der Hebeller, u- Ott0 '•
Brennabor (= Brandenburg), und unter Otto I. unterwarf Markgraf Gero
die Wenden bis zur Oder. Nach seinem Tode wurde seine Mark geteilt. In
dem Wendenaufstande (983) ging das Land zwischen Elbe und Oder verloren;
als Nordmark blieb nur das Gebiet links der Elbe, die heutige Altmark, bestehen.
Im Jahre 1134 belehnte Kaiser Lothar den Askanier Albrecht denDieAska^
Bären mit der Nordmark. Ihm gelang es wieder, auf dem rechten Elb-
ufer festen Fuß zu sassen; er erwarb die Priegnitz und das Havelland und
nannte sich Markgraf von Brandenburg. Seine Nachkommen dehnten
ihre Herrschaft bis zur Oder aus, ja sie überschritten den Fluß und eroberten
die Neumark. Die Mark wurde mit deutschen Ansiedlern besiedelt und
so das Wendenland zum zweitenmal für die Deutschen erworben. Unter