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als Sitze einer so großen Verderbniß und so unnatürlicher Laster, daß
deren Aufhebung gerechtfertigt erschien. Zuerst wurden die kleineren,
dann auch die größeren Klöster eingezogen, und innerhalb dreier Jahre
war der König im Besitz aller geistlichen Güter des Königreichs. Zusam-
men wurden 645 Klöster, 90 Cotlegien, 2374 Stifte und Kapellen und
110 Hospitäler aufgehoben, deren Einkünfte gegen 161,100 Pfund be-
trugen. Man ging bei der Aufhebung mit eben so großer Barbarei als
Zerstörungslust zu Werke. Eine große Zahl der schönsten Kirchen, Ge¬
bäude und Kunstwerke wurde zerstört, Kirchenschmuck, Bücher und Hand¬
schriften zerschlagen, verschleudert oder verbrannt. Von den großen Reich¬
thümern, die dem König zufielen, blieb sehr wenig übrig, denn das
Meiste verschenkte der König an seine Lieblinge, oder verschleuderte es
mit Tyrannenlaune. Durch die unbesonnene Verschwendung brachte sich
der König sogar um die Vortheile, die er vorher von den geistlichen
Gütern durch die Besteurung derselben gehabt hatte. Heinrich VIII.
bildete sich ein, die einzige wahre Richtschnur des Glaubens zu besitzen,
und berechtigt zu sein, jeden Andersdenkenden zu bestrafen. Er ließ
1539 von dem Parlament ein Gesetz geben, welches das der sechs Ar¬
tikel hieß. Diese sechs Artikel setzten fest: die Transsubstantiation im
Abendmahl, das Abendmahl ohne Kelch für die Laien, die ewige Ver¬
pflichtung einmal abgelegter Keuschheitsgelübde, die Nützlichkeit der Privat-
messen, die Ohrenbeichte, das Cölibat der Geistlichen. Wer die Aner¬
kennung dieser Artikel verweigerte, wurde schonungslos hingerichtet, der
Katholik wie der Protestant.
Auch in Irland wurde 1536 durch das Parlament die Appellation
nach Rom untersagt und der König zmn Oberhaupte der Kirche erklärt.
Durch einen Beschluß des irischen Parlaments wurde 1541 Irland, das
bis dahin die Könige von England als ein Lehen des päpstlichen Stuh¬
les besessen hatten, für ein Königreich erklärt. Seitdem wurden auch
hier die Klöster eingezogen und zum Krongut geschlagen. Doch zeigte
sich auf dieser Insel der Widerstand der Katholiken kräftiger als in
England.
Heinrich VIII. war Reformator geworden, um sich mit Anna
Bo lehn zu vermählen. Als er sie besaß, schwand seine Leidenschaft.
Das freie Benehmen der Königin gab Gelegenheit, sie der Untreue an¬
zuklagen. Sie wurde 1536 enthauptet. Am Tage nach der Hinrichtung
vermählte sich Heinrich mit dem Hoffräulein Johanna Seymour.
Diese starb 1537, nachdem sie einen Sohn, Eduard, geboren hatte.
Heinrich heirathete nun die protestantische Prinzessin Anna von Eleve,
trennte sich aber bald wieder von ihr, weil ihre Plumpheit seinen Wi¬
derwillen erregte. Wenige Wochen nach der Scheidung verehlichte sich
Heinrich mit Katharina Howard. Diese wurde 1542 enthauptet,
unter der Anklage der Untreue; erwiesen war nur die Unsittlichkeit vor
ihrer Vermählung. Zum sechsten Mal vermählte sich Heinrich mit der
Wittwe Katharina Parr. Diese entging nur durch ihre Klugheit der
Gefahr, wegen protestantischer Ansichten hingerichtet zu werden.
Heinrich VIII. gründete eine anglikanische Kirche, welche sich von
der römisch-katholischen nur in dem Punkte des Kirchenregiments unter¬
schied. Er ließ diejenigen als Ketzer verbrennen, welche die Lehren der
Reformatoren bekannten, und diejenigen als Verräther hängen, welche