Full text: Von der Zeit des Großen Kurfürsten bis auf die Gegenwart (H. 3)

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Zweite Periode. Die Zeit der unumschränkten Fürstengewalt. 
hatte sie in diese ihr verhaßte Verbindung gewilligt, um ihr Vaterland, 
welches Ludwig durch sie au sein Haus bringen wollte, vor seiner 
Rache zu schützen. Sie bewahrte am Versculler Hofe ihre kerndeutsche 
Art und verlor trotz ihrer unglücklichen Ehe nicht ihr munteres, offenes 
Wesen. Ihre Briese42) sind eine wertvolle Quelle für die Kenntnis 
der damaligen Zustände. 
3. Französische Bildung. Die Künste und Wissenschaften ehrte 
Ludwig, damit sie ihn verherrlichten. Namhafte Gelehrte zog er an 
seinen Hof, uud großartige Anstalten (Akademien für Wissenschaften 
und Künste, Bibliotheken, Sternwarte, botanischer Garten) verkündeten 
den Ruhm ihres Gründers und Beschützers „Louis le Grand". Auch 
die französische Literatur, die damals ihr goldenes Zeitalter hatte, 
verleugnete nicht ihren hösischeu Charakter: die Did)ter waren zum 
großen Teil vom Hofe abhängig, und die freie Entwicklung der Dicht¬ 
kunst war gehemmt durch deu von der „französischen Akademie" aus¬ 
gehenden Regelzwang. (Corneille, Racine, Moliöre, Boileau, Fenelon.) 
Die leid)te, elegante französische Sprache verdrängte die lateinifd)e als 
Sprache der Diplomaten und wurde aud) in anderen Ländern die 
Unigangssprache der vornehmen Kreise. 
§ 73. Zustände in Deutschland nach dem Dreißigjährigen Kriege. 
V Staatliches Leben, a) Das Reich war, nachdem im West- 
fälifchen Frieden die Unabhängigkeit der Fürsten anerkannt war, wenig 
mehr als ein bloßer Name. Auf dem Reichstage, der seit 1663 in 
Regensburg beständig tagte, erschienen die Reid)sstände nicht mehr 
persönlich, sondern ließen sid) durch Gesandte vertreten. „Reid)ssd)lüsse" 
kamen, da der Geschäftsgang ein sehr schleppender war, nur mühsam 
zn stände und wurden nicht immer gehalten. 
b) Die Fürsten regierten unumschränkt, indem sie die Land- 
stände, die Vertreter des Adels, der Geistlichkeit und der Städte, ind)t 
mehr beachteten; die stehenden Heere, die seit dem Kriege bleibende 
Staatseinrick)tnng wurden, verliehen ihnen die Mad)t dazu. Das Leben 
an den Höfen war nach französisd)em Muster eingerichtet; es verlief in 
Festlichkeiten und Vergnügungen. Mehr als früher sonderten sid) die 
Höfe, aud) die kleinsten, von der bürgerlid)en Gesellschaft ab, und trat 
ein Höfling einmal mit einem Bürger in Berührung, so hatte dieser 
Ursache, auf seiner Hut zu sein. 
c) Die Untertanen, die sich nid)t mehr als Glieder eines großen 
Ganzen fühlten, klagten wohl über harte Abgaben und Willkür der 
Starken, wurden aber im übrigen gleid)gültig gegen staatliche und
	        
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