Full text: Von der Zeit des Großen Kurfürsten bis auf die Gegenwart (H. 3)

§ 74. Der Große Kurfürst und seine Zeit. 11 
Kurfürsten die Kaiserwürde erhalten hatte, und mehrere andere Reichs- 
fürsten schlössen sich dem Kriege gegen Frankreich an. Aber die Feld- 
züge der Deutschen am Rhein und im Elsaß waren erfolglos. Allem 
waren die Kurfürstlichen gegen die französische Übermacht zu schwach, 
und ihre Vereinigung mit den Kaiserlichen gereichte nur dem Gegner 
zum Vorteil: denn der Wiener Hof, in geheimem Einverständnis mit 
Frankreich, verhinderte ein kräftiges Vorgehen. Um den gefährlichsten 
Gegner ganz los zu werden, bestimmte der Franzosenkönig die Schweden, 
von Pommern aus in Brandenburg einzufallen. In Eilmärschen kehrte 
daher der Kurfürst von seinen Quartieren am Main in sein Land 
zurück, begleitet von seinem kühnen Feldmarschall von Derfflinger 
Werfall von Rathenow). Schon hatten sich die brandenburgischen 
Bauern aus freien Stücken gegen die Fremden erhoben.*) Am 28. ^uni 
1675 erfocht er bei Fehrbellin. wo 6000 Reiter die Hauptmasse seiner 1675. 
kleinen Streitmacht bildeten, über die schwedische Übermacht einen 
glänzenden Sieg. (Erzählung vom Stallmeister Froben.) Aus ganz 
Pommern verdrängte er die Schweden; doch ging ihm die Frucht seiner 
Erfolge dadurch verloreu, daß seine Bundesgenossen, auch Holland, 
ihn im Stiche ließen: im Frieden zu St. Germain mußte er 16791679. 
nach dem Willen Ludwigs XIV. den Schweden ihre deutschen Be- 
sitzungen zurückgeben. **) Dazu war eine andere Kränkung gekommen: 
der Kaiser hatte die erledigten schlesischen Fürstentümer Brieg, Liegnitz 
und Wohlan, auf welche Brandenburg Erbansprüche hatte (§ 66, 2), 
für Österreich eingezogen. 
7. Straßburg. Es war daher kein Wunder, daß dem grollenden 
Kurfürsten die Lust verging, für Kaiser und Reich einzutreten, und er 
ruhig zusah, wie der Frauzoseukönig unter dem Namen Reunionen 
neue „Erwerbungen" machte. Um einen Rechtsvorwand zu haben, ließ 
nämlich Ludwig XIV. untersuchen, welche Landesteile früher zu den 
im Westfälischen Frieden an Frankreich abgetretenen Gebieten gehört 
hätten, und nahm ans Grund dieser Untersuchungen die elsässischen 
reichsunmittelbaren Städte und andere Gebiete einfach weg. Die be¬ 
deutendste und für das Reich wichtigste dieser Besitzungen war die 
freie Reichsstadt Straßburg, die durch ein starkes französisches Heer 
unter Lonvois 1681 zur Übergabe gezwungen wurde. Der Kaiser 1681. 
und der Reichstag (in — ?) äußerten ihre Entrüstung nur in Worten. 
*) Ihre Fahnen trugen die Inschrift: „Wir sind Bauern von geringem Gut 
und dienen unserm Kurfürsten mit unserm Blut." 
**) Auf eine Denkmünze ließ er die lateinischen Worte Vergils prägen: 
„Einst wird uns ein Rächer erstehen aus unserer Asche."
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.