Full text: Die wichtigsten Begebenheiten der Neuzeit, insbesondere der preußisch-deutschen Geschichte seit 1648 (Teil 6)

§49. 
Allgemeine Übersicht. — Das Reich. 
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Diese Anschauung gewann ihre stärkste Einwirkung auf die Zeit- 
genossen, als in Nordamerika eine Anzahl von Freistaaten begründet 
wurden, ihre Freiheit vom Mutterlande erkämpften und einen Staaten- 
bnnd schufen. Nun erst wurde die Überzeugung allgemein, daß dies die 
beste, des Menschen würdigste Form der Verfassung sei? sie schlug zumal 
in Frankreich, das jene unterstützt hatte und dessen Herrschertnm tiefe 
Schäden aufwies, kräftig Wurzel und leistete hier dem Ausbruch der 
großen Revolution mächtig Vorschub. 
Diese führte fast in allen Staaten Europas tiefgehende Verände- 
rnngen des öffentlichen Lebens herbei. 
Die Französische Revolution vernichtete das alte Königtum mit 
seinen Stützen, der kirchlichen Vormachtstellung und den bevorrechteten 
Ständen, sie leitete einen ungeheuern Wechsel im Besitz an Grnnd und 
Boden ein; der führende Stand im Staatsleben wurde der dritte Stand, 
der Bürgerstand; aber sie führte nur vorübergehend zur Republik. 
Die Republik hat den Neubau der Verfassung vorbereitet, nicht 
vollendet. Diesen Neubau des Staates auf Grundlage der Revolution, 
der sich im wesentlichen trotz des Wechsels der Regierungen bis jetzt er- 
halten hat, hat erst Napoleon geschaffen. 
Durch Napoleon gewann die Revolution auch auf die Nachbar- 
staaten Einfluß. Von vornherein mußte das aufständische Frankreich 
mit dem alten Europa im Kriege zusammenstoßen, aber erst Napoleon 
gewann durch seine siegreichen Kriege die Möglichkeit, in die inneren 
Verhältnisse der Nachbarstaaten einzugreifen. In Deutschland wurde 
das alte Reich zertrümmert, Hunderte von Reichsständen verschwanden, 
die übrigbleibenden wurden auf breiterer Grundlage aufgebaut, fast alle 
empfingen den Anstoß zu eingreifender Umgestaltung. 
Trotz aller Erschütterungen und Wandlungen erhielten sich aber 
die großen Mächte, die sich im vorhergehenden Zeitalter ausgebildet 
hatten, nicht nur, sondern vergrößerten sich zum Teil noch und ge- 
wannen an innerer Stärke. 
A. Die europäischen Mächte beim Ausbruch der Französischen 
Revolution. 
§ 49. Das Reich. Das Reich hatte nach dem Westfälischen Frieden 
noch einige Gebietsverluste an seiner Westgrenze erlitten; seine Ver- 
fassnng war seitdem nicht umgestaltet worden. Die Gewalt seines Ober- 
Hauptes, des Kaisers, war gering, der Reichstag, der seit Leopold I. 
ständig in Regensburg tagte und von den Reichsständen nur durch 
Gesandte beschickt wurde, hatte wenig Einsluß auf das öffentliche Leben; 
die Bedeutung, die er etwa noch hatte, sank, je mehr die Spannung 
zwischen Österreich und Preußen wuchs.
	        
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