Full text: Deutsches Lesebuch für die oberen Abtheilungen ein- und mehrklassiger Elementarschulen in der Stadt und auf dem Lande

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Schon 10 Lage nach der Himmelfahrt ging die Verheißung des Herrn in 
Erfüllung. Die am Pfingstfefte zu Jerusalem einmüthia versammelten Jünger 
wurden unter außerordentlichen Erscheinungen des heil. Geistes voll, redeten in 
fremden Zungen und verkündigten die großen Thaten Gottes. 3000 der 
Versammelten nahcten sich den Aposteln mit der Frage: „Was sollen wir thun, 
daß wir selig werden?" und vernahmen die tröstliche Antwort: „Thut Buße und 
lasse sich ein Jeglicher taufen auf den Namen unseres Herrn Jesu Christi zur 
Vergebung der Sünden u. s. w." Sie ließen sich taufe». DaS war die erste 
chrihliche Gemeinde und der Anfang der christlichen Kirche. 
Die ersten Christen, deren Zahl täglich wuchs, bildeten eine wahre lautere 
Gemeinde Jesu, und zeigten durch ihren Wandel, daß cS mit ihnen wirklich 
etwas Neues geworden sei. Sie blieben beständig in der Apostel Lehre, tut 
Brvtbrcchen und im Gebet. Sie waren c i n Herz und eine Seele: Alle waren 
in Liebe mit einander verbunden und hielten ihre Güter gemein. Es war auch 
Keiner unter ihnen, der Mangel hatte. — Wahrhaft schöne Worte: „Die 
Gläubigen waren ein Herz und eine Seele!" Sie sahen sich also Alle an, 
als Glieder eines Leibes. Jeder liebte Gott über Alles und den Andern, wie 
sich selbst. Jeder war für den Andern mehr besorgt, als für sich. Die Anzahl 
der Gläubigen zu Jerusalem betrug schon mehr als 5000; und dennoch lebten 
sie in stiller Eintracht zusammen und machten gleichsam eine Familie aus. Sv 
sollte cs jetzt mit jeder Familie, mit jeder Gemeinde, mit der ganzen Christenheit 
sein. Alle sollten nur ein Herz und eine Seele sein. Das fordert von uns 
der Geist und der Zwekk deö Christenthums, denn als Christen sind wir ja auch 
Kinder eines Vaters, Mitgenoffen eines Reiches, Glieder eines Leibes, rein 
gewaschen in einer Taufe, erlöset von einem Heilande, geheiligt durch einen 
heiligen Geist, erquikkt durch ein HimmelSbrot, Bekenner eines Glaubens, 
Erben einer Seligkeit. Aber ach! die Meisten sind nicht ein Herz und eine 
Seele! Getheilt sind sie durch und im Glauben; sie thun nicht, was sie glauben, 
sie stellen nicht im Leben dar, was sie anbeten, sie erfüllen nicht, was sic 
geloben. Es giebt so viele Namenchristen, die bloß dem Bauch dienen, nur 
leben, um zu essen, zu trinken und der Sinnlichkeit zu pflegen. Wie sollten 
diese einander lieben, da die Liebe keine Letter- und SchmauS-Angelcgenheit ist? 
Es giebt so viele Maulchristen, die nur den verbotenen Wollüsten nachjagen. 
Wie'sollten diese die wahre Liebe haben, die nur in der Liebe GvtteS gegründet 
ist? Es giebt so viele Scheinchrifte», die nur nach Geld trachten, und sich 
von der Begierde, reich zu werden, fortreißen lassen. Wie sollten diese ein 
Herz und eine Seele sein können, da die Habsucht sie immer weiter von 
einander reißt? DaS Betragen der ersten Christen ist also für nnS eine 
immerwährende Strafpredigt und eine feierliche Aufforderung, in ihre Fußstapfen 
einzutreten. Selig die heilige Gemeinschaft, von welcher gesagt werden kann: 
Alle sind ein Herz und eine Seele, denn sie sind vereinigt in heiliger 
Vereinigung mit Gott! — 
Sie sind, o Jesu, die dich lieben, 
Vereinigt durch ein heil'geö Band; 
Von deinem reinen Geist getrieben, 
Trennt sie kein Erdengut noch Stand. 
Sie, deines Reiches echte Glieder, 
Sie lieben herzlich sich als Brüder.- 
* 
Kaum war das junge jBäumchen des neuen GottcSrcicheS innerlich erstarkt, 
so ließ auch der Herr schon die Stürme darüber kommen, die aber dazu dienten, 
es noch mehr zu befestigen. Statt des anfänglichen Friedens traten Zeiten großer 
Verfolgungen^ ein. So ist's immer gegangen und wird noch ferner so
	        
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