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blieb. Der Einfluß der Griechen zeigte sich erst unter den Gracchen,
aber in recht bescheidenem Maße- bestimmend und herrschend wurde
er erst durch Hortensius, den älteren Zeitgenossen Ciceros.
Bei der Redekunst unterscheidet man drei Stilarten, den niederen
oder ethischen, den höheren oder pathetischen und den mittleren Stil.
Der niedere unterscheidet sich nicht sehr von der gemütlichen alltäglichen
Ausdrucksweise,- der höhere sucht das Gefühl oder eine Leidenschaft
aufs kräftigste zu erregen, wozu besonders die Tropen und die Figuren
dienen müssen; der mittlere Stil sucht Ethos mit mäßigem Pathos zu
vereinigen.
In der Zeit, in der die griechische Rhetorik von den Römern
übernommen wurde, hieß der niedere Stil der attische, der höhere
der asianische oder asiatische, der mittlere der rhobifche.
§ 2\. Die römische Beredsamkeit vor Cicero.
Der erste, der eine Rede herausgab, war der geniale Appius
Claudius Cäcus, von dem die erste römische Straße (312) und
Wasserleitung herrühren, und zwar war es die Rede, durch die er den
von Kineas schon gewonnenen Senat bestimmte, mit Pyrrhos keinen
Frieden zu schließen (280); diese Rede lag Cicero noch vor. Jedoch
der eigentliche Vater der national römischen Beredsamkeit war Cato
Censorius, dieses Urbild eines echten Römers, der bekanntlich gegen
Hannibal kämpfte und den Untergang des verhaßten Karthago durch
sein „ceterum censeo" herbeiführte.
Schon bald nach Catos Tode legte man, jedenfalls unter dem
Einflüsse griechischer Rhetoren, größeren Wert auf eine kunstmäßige
Anlage der Reden, doch ohne ihnen den spezifisch römischen Charakter
zu nehmen. Ihre höchste Höhe erstieg diese streng nationale Bered¬
samkeit in der wild gärenden Zeit der Gracchen; ihr glänzendster Ver¬
treter war Ca jus Gracchus, der erste zeitweilige Alleinherrscher in
Rom, ein Mann, der die kühle Überlegung des Staatsmannes und
die leidenschaftliche (Blut des Redners in sich verband.
Die gracchische Beredsamkeit hielt sich noch längere Zeit; ihre
letzten größeren Vertreter waren Antonius und Crassus, deren
Umgang der heranwachsende Cicero eifrigst pflegte und zu seiner
rednerischen Ausbildung ausnutzte; in seiner besten rhetorischen Schrift,
de oratore, hat er ihnen deshalb auch die Führung des Gespräches
überwiesen.
Der ältere Zeitgenosse und spätere Gegner Ciceros, Hortensius,
war es, der die glänzende, blumen- und gedankenreiche asianische Rede-
weise übernahm und damit die Volksmenge und die Jugend bezauberte,
darunter auch den jugendlichen Cicero. Lange galt Hortensius als
der erste römische Redner, bis ihn Cicero überholte.
§ 25. Leben Ciceros.
1. Ciceros Jugendzeit. Marcus Tullius Cicero wurde
zu Arpinum geboren in demselben Jahre, in welchem sein engerer