Full text: Die deutschen Freiheitskriege von 1813, 1814 und 1815

86 Das Jahr 1815. 
umgangen hatte, — es waren Napoleons Garden selbst, — die Preußen 
jenseits an, und von der anderen Seite brachen Kürassiere und Garde-- 
Grenadiere gleichfalls gegen sie hervor. Das war ein gefährlicher Augen-- 
blick. Der alte deutsche Feldherr vergaß alle Sorge für sein eigenes 
Leben, jagte an die Spitze des nächsten seiner Reitergeschwader und führte 
es selbst gegen die stärkeren französischen Haufen. Aber die kleinere, 
leichter bewaffnete Schar konnte gegen die gepanzerten Reiter auf ihren 
hohen Pferden nicht durchdringen, sie wurde zurückgeworfen, und des 
Feldmarschalls Pferd wurde von einer Kugel durchbohrt. Der Schuß 
hemmte nicht sogleich seinen Lauf, der Schmerz trieb es vielmehr immer 
heftiger zu krampfhaften Sprüngen, bis es plötzlich im vollen Rennen 
tot zu Boden stürzte. Der teure Greis lag, vom gewaltsamen Sturze 
betäubt, unter dem toten Pferde. Die französischen Kürassiere sprengten 
in der Verfolgung heran; die letzten preußischen Reiter waren schon bei 
dem Feldmarschall vorüber; nur sein treuer Begleiter, der Major Graf 
Nostiz, war bei ihm und wollte, nach der altdeutschen Weise des Waffen- 
geführten gegen seinen Herzog, nicht unter den Lebenden gefunden werden, 
wenn sein Feldherr verderbe. Er sprang vom Pferde und jagte es durch 
einen Schlag ins weite Feld, um die Blicke der Feinde nicht auf die 
gefährliche Stelle zu lenken. Wirklich jagten sie auch in wilder Eile 
vorüber, ohne den Feldmarschall zu bemerken; und als der Sturm sich 
wieder wendete und die Franzosen zurückgeschlagen umkehrten, sprengten 
sie noch einmal vorbei. Jetzt erst brachte man mit Mühe den Feldherrn 
unter dem toten Pferde hervor. — Wer kann das Unglück ausdenken, 
wenn nur ein französischer Reiter ihn hier gesehen und durch einen uu- 
seligen Schuß seinem teuren Leben ein Ende gemacht oder ihn gefangen 
genommen hätte! Wer würde das preußische Heer aus seiner Bestürzung 
aufgerichtet, wer es in Ordnung vom Schlachtfelde weggeführt und ihm 
den Mut also frisch erhalten haben, um am zweiten Tage eine neue 
Schlacht zu kämpfen? Und wenn diese Schlacht am 18. nicht gekämpft 
wurde, wie stand es heute mit der Freiheit Europas? Darum sei der 
Himmel gepriesen, der in so gefährlicher Stunde über dem Leben wachte, 
an welchem ein großes Schicksal hing! 
Der gerettete Feldherr bestieg ein Dragonerpferd und eilte zu den 
Seinigen hinter Ligny zurück. Das preußische Fußvolk wehrte sich sehr 
tapfer gegen die Reiterstürme und gab eine Probe, welcher Muth in der 
Brust eines jeden Kriegers lebte. Obwohl von allen Seiten umringt, in 
der Dunkelheit der Nacht, die dem Menschen jede Gefahr vergrößert, schlug 
es die Reiterhaufen, so oft sie in ihren Harnischen rasselnd heranbrausten, 
immer kaltblütig durch sein Gewehrfeuer zurück und zog sich langsam, 
festgeschlossen, manche Schar mit lautem fröhlichem Klange ihrer Feld- 
musik, gegen Tilly zurück. Hier, eine halbe Stunde vom Schlachtfelde, 
stellten sie sich wieder auf, ohne daß der Feind zu folgen wagte. Nur 
fünfzehn Stücke Geschütze fielen ihm in die Hände, die sich in der Dunkel- 
heit im Hohlwege verfahren hatten. 
Wenn schon die Schlacht verloren war, so war sie doch ehrenvoll 
verloren. Nur ein Teil des preußischen Heeres hgtte den furchtbaren
	        
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