Full text: Von der französischen Staatsumwälzung bis zur Gegenwart (H. 4)

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I. Die Französische Revolution. 
Vermögen, um hohe Zinsen der Staatsverwaltung geliehen, war gefährdet.^ 
Hier liegt ein Grund der Staatsumwälzung. 
Verarmung des Bauernstandes. In der ungünstigsten Lage waren 
die Kleinbauern, Landarbeiter, Tagelöhner. Der Engländer Artur Joung, 
der in den beiden letzten Jahren vor Ausbruch der Revolution Frankreich 
bereiste und besonders dem Ackerbauwesen seine Aufmerksamkeit widmete, 
meint, daß der Ackerbau damals noch auf der Stufe des 10. Jahrhunderts 
gestanden habe, ausgenommen in Flandern und im Elsaß. Die Felder 
blieben in jedem dritten Jahre brach; schlechte Geräte, keine eisernen Pflüge 
(Fig. 14), wenig Vieh, wenig Dünger, schlechte Wege. Seitdem die adligen 
Herren am Hofe zu Versailles lebten, hatten sie weder Zeit noch Geld, für 
die Hebung der Hauptnahrungsquelle des Volkes zu sorgen. In einzelnen 
Bezirken lebte der Landbewohner nur von Buchweizen, in andern wurde 
das Getreide halbreis verarbeitet. Man konnte die Reife vor Hunger 
nicht erwarten. Der Steuerdruck war unerträglich. Von 100 Frcs. Erlös 
nahm der staatliche Steuereinnehmer 53, 14 erhielt der adlige Herr als 
Eigentümer von Grund und Boden, 14 die Kirchenverwaltung, den Rest 
bekamen die Kellerratten, d. h. die Beamten der Getränkesteuer und 
die Salzsteuererheber. 
Wie sehr der Steuerdruck die Tatkraft lähmte, geht aus dem Briefe 
eines Dorfschulzen aus der Champagne an den König hervor. „Wir 
könnten einige Weinstöcke an den Abhängen pflanzen, aber wir werden 
so von den Steuerbeamten gequält, daß wir vielmehr daran denken, die 
gepflanzten auszuwerfen; der ganze Wein würde für sie sein, und uns 
bliebe nur die Arbeit." Am härtesten drückte die Salzsteuer. Jede 
Familie mußte für jede Person jährlich sieben Pfund Salz aus dem 
Staatsmagazin kaufen, eigne Salzgewinnung war untersagt und wurde 
mit Galeeren arbeit, im Wiederholungsfälle mit Aufhängen bestraft. 
Kein Wunder, daß, wer Gelegenheit hatte, in die Dienste eines 
reichen Herrn als Lakei trat oder im Handwerk und im kaufmännischen 
Beruf Unterkunft suchte. Infolgedessen blieben viele Äcker und Wein¬ 
berge unbebaut. Unter diesen Umständen konnte Frankreich damals 
25 Million Einwohner nicht ernähren; das fruchtbare Land hätte bei 
vernunftgemäßer Bewirtschaftung mehr als der doppelten Anzahl hin¬ 
reichenden Wohlstand bieten können. In dem Elend des Bauernstandes 
liegt ein andrer Grund der Staatsumwälzung. 
Die Steuervorrechte. Der Adel und die Geistlichkeit waren fast 
steuerfrei. In früherer Zeit hatten die adligen Herren die Kriegslasten 
fast allein getragen; im ritterlichen Kampfe hatten sie in den ersten Reihen 
*) Nach Hippolyte Adolphe Taine (1828—1893): L’ancien regime. Schulaus¬ 
gabe von Wershoven. Trier 1907, Jakob Lintz. S. 36—40. 
2) Taine, S. 44—48.
	        
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