Die dritte französische Republik.
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Die Häuptlinge sahen keine Rettung durch Flucht, auf Gnade durften
sie nicht hoffen, darum hatten sie eine grauenhafte Leichenfeier veranstaltet.
Banden von Männern und Weibern (petroleurs et petroleuses) steckten
mit Petroleum die Häuser in Brand, durch welche die Truppen den
Kommunarden nachdrangen; am 23. abends brannten Tuilerieeu, Louvre,
Palais Royal, Finanzministerium, Stadthaus, Polizeipräfektur, Rechnuugs-
Hof, die Paläste des Staatsraths und der Ehrenlegion, zwei Theater, das
Entrepot, das Leihhaus, das Museum des Jardiu des Plantes, die Sal-
petriere, verschiedene Magazine, Bahnhöfe, Kirchen und Klöster, während
die ergrimmten Soldaten beim Scheine der Flammen Petroleurs und
Petrolensen, Barrikadenkämpfer und Gefangene niederschossen und nieder-
stachen, und die „Bürger" Raoul Rigault und Regere auf schriftliche
Ordre des Exekutivkomitees den Erzbischof Darboy mit mehreren Priestern
im Gefängnisse La Roquette erschossen. Zur selben Zeit wurde das
Quartier Belleville, der letzte Halt der Kommunarden, nach wütender
Gegenwehr erstürmt, und damit war am Nachmittag des 28. der Kampf
beendigt, nachdem er vier Tage und Nächte gewütet hatte. Darauf begann
die Thätigkeit der Kriegsgerichte; von den 38 000 Gefangenen und Ver¬
hafteten wurden 18 900 bald wieder freigelassen, 11000 abgeurteilt, die
des Mords und Brands Überwiesenen erschossen, etwa 2000 nach der
Insel Neukaledonien im Austral-Ocean deportiert, eine größere Zahl zu
Gefäugnißstrafen verurteilt.
Die desinitive Republik.
Die französische Nationalversammlung war eigentlich nur
gewählt worden, um eiueu Friedensvertrag mit Deutschland möglich zu
milche»; sie eignete sich jedoch auch das Recht zu, Frankreich eine Ver-
fassung zu geben. Sie bestand aus den Parteien: 1) der Segitimiften, den
Anhängern des Grafen Heinrich von Chambord, des Enkels von
Karl X., und als solcher zur Thronfolge berechtigt, 2) der Orleanisten,
3) der Bonapartisten, 4) der Republikaner, den gemäßigten und radikalen.
Obwohl diese Parteien in ihren Hoffnungen und Entwürfen weit aus-
einandergingen, so übertrugen sie doch dem Chef der Exekutivgewalt
Thiers die Präsidentschaft der Republik auf 3 Jahre (30. August 1871).
Es gelang ihm, ein Anlehen von zwei Milliarden abzuschließen, wodurch
er einen beträchtlichen Teil des französischen Territoriums von der deut-
scheu Okkupation freimachte; im Juli 1872 brachte er ein neues Anlehen
von drei Milliarden zustande, und am 15. Mai einen Vertrag, demgemäß
die deutschen Truppen nach der letzten Zahlung (am 5. September) den
französischen Boden verließen (16. September 1873). Thiers wurde von
dem Volke als der „große Bürger" gepriesen, und in der That hatte er