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Die Ereignisse von 1870 bis 1883.
sich um Frankreich hoch verdient gemacht: er bezwang die Kommunarden-
Revolution, stellte den Staatskredit wieder her, rief eine Reorganisation
der Armee nach deutschem Muster in das Leben und bahnte ein leidliches
Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland an.
Thiers erklärte in der Nationalversammlung zu wiederholten Malen,
die Wiederherstellung der Monarchie sei in Frankreich unmöglich, weil
die Anhänger der Monarchie in drei unversöhnliche Parteien gespalten
seien: in die Parteien der Legitimisten, Bonapartisten und Orleanisten;
die Republik sei daher einstweilen die allein mögliche Verfassung Frank-
reichs, sie müsse aber eine gemäßigte und konservative sein, die jeden
ruhigen Bürger aufnehme und schütze, wenn derselbe auch königlich oder
kaiserlich gesinnt sei. Thiers hatte insofern vollständig Recht, als alle
Versuche zur Verschmelzung der Legitimisten und Orleanisten mißlangen,
der Graf von Chambord, der legitime Thronerbe, sich nicht zur Auer-
kennung der Principien von 1789 und einem Vertrage mit den Volks-
Vertretern über die Verfassung Frankreichs verstand, auch die Annahme
der dreifarbigen Fahne verweigerte, wodurch er sich für Frankreich uu-
möglich machte. Aber die Monarchisten hatten kein Vertrauen zu Thiers'
konservativer Republik, sondern befürchteten, daß die roten Revolutionäre
sich von der in Paris erlittenen Niederlage wieder erheben und Frank-
reich noch einmal in Revolution und Anarchie stürzen würden. Thiers
war ohnehin allen Monarchisten zuwider: den Legitimisten, weil er zur
Herbeiführung der Julirevolution von 1830 vor andern beigetragen
hatte; die Orleanisten haßten ihn als den Anstifter der Agitation für die
Wahlreform von 1848, und die Bonapartisten verziehen die Lektionen
nicht, welche er der kaiserlichen Regierung seit 1866 in der Abgeordneten¬
kammer gegeben hatte. Als die großen Anlehen gelungen und die deut-
schen Truppen abgezogen waren, fanden die Monarchisten den „unheil-
vollen Greis" entbehrlich, und als Thiers am 24. Mai sich noch einmal
gegen die Monarchie als eine Unmöglichkeit aussprach, gab die Mehrheit
der Volksvertreter dem Ministerium des Herrn Thiers ein Mißtrauens-
vvtum, worauf das Ministerium und Thiers zurücktraten. Hierauf wurde
der Marschall Mac Mahon, dem die französische Eitelkeit den Beinamen
„der glorreiche Besiegte" beigelegt hatte, zum Chef der Exekutive ernannt.
Die drei monarchischen Parteien zerfielen aber so sehr miteinander, daß
die Orleanisten sich den gemäßigten Republikanern zuwandten, und da
auch Gambetta, der Führer der grundsätzlichen Republikaner, für gut fand,
als Gemäßigter aufzutreten, so wurde bei der Beratung der konstitutionellen
Gesetze am 30. Januar 1875 in der Nationalversammlung der Antrag mit
353 gegen 252 Stimmen angenommen, daß der Präsident der Republik
auf vier Jahre erwählt werden und wieder wählbar sein solle. Damit