fullscreen: Lesebuch für Fortbildungsschulen

179 
mit allen Tieren aller Art; 
er zimmerte nach weisem Rat 
Jerusalem, die Gottesstadt; 
des weisen Salomo Königshaus, 
das führt' er mächtig und prächtig aus. 
Denkt an das Labyrinth zum Schluß, 
wer ist geschickt, wie Dädalus? 
Michael Beheim. 
Das Holz verfault, der Stein bleibt Stein, 
der Steinmetz muß drum der erste sein. 
Ringmauern baut er, kühne Tuürme, 
Bastaien auch zu Schutz und Schirme, 
Gewölbe pflanzt er, die sich kühn 
aufrankend in die Lüfte zieh'n, 
schwind'lige Gänge, durchsichtig und fest, 
mit Sãulen und Vildwent geschmückt aufs best', 
den schiefen Turm von Pisa schaut, 
den Wilhelm von Nürnberg hat aufgebaut; 
zu Jerusalem der hohe Tempel, 
der trug der höchsten Vollendung Stempel. 
Der himmelhohe Turm zu Babel, 
das Grab des Mausolus ist keine Fabel, 
die Pyramiden, die künstlichen Berg', 
sie überragen weil alle Werk'. 
Hans Sachs. 
Vermag auch Beil und Meisel viel, 
schwach sind sie gegen den Pinselstiel. 
Er bringt nichtnur Haufen undStädte hervor, 
türmt Schlösfer und künstliche Warten empor — 
nein, was von Anfang Gott erschuf 
durch seines göttlichen Wortes Ruf, 
das schafft der Maler zu aller Zeit: 
Gras, Laubwerk, Blumen auf Feld und Heid', 
den Vogel, wie in der Luft er schwebt, 
des Menschen Antlitz, als ob er lebt, 
die Elemente beherrscht er all: 
des Feuers Wut, des Meeres Schwall. 
Den Teufel malt er, Hölle und Tod, 
das Paradies, die Engel und Gott. 
Das macht er durch Farben dunkel und klar 
mit geheimen Künsten euch offenbar. 
Das hebt sich mächtig durch Schattierung 
nach einer schön entworf'nen Visierung. 
Er kann euch alles vor Augen stellen, 
nicht deutlicher könnt ihr's je erzählen. 
Drauf muß er brüten Tag und Nacht, 
in Traumgebilden sein Geist stets wacht. 
Er ist an Phantasieen reich 
und fast dem kühnen Dichter gleich; 
um alle Dinge weiß er wohl, 
weil er sie alle bilden soll. 
Wer zu allen Dingen hat Schöpferkraft, 
den rühmt die höchste Meisterschaft. 
Michael Beheim. 
Du lobst den Maler mir zu hoch, 
nützlicher bleibt der Steinmetz doch 
Des Malers können wir entraten, 
er schafft von jedem Ding nur Schatten. 
Sein gemaltes Feuer wärmt uns nicht, 
seine Sonne spendet nicht Schein und Licht, 
sein Obst hat weder Schmack noch Saft, 
seine Kräuter nicht Duft und Heilungskraft, 
seine Tiere haben nicht Fleisch und Blut, 
sein Wein verleihet nicht Freud' und Mut. 
Hans Sachs. 
Das Sprichwort immerdar noch gilt, 
daß, wer die Kunst nicht hat, sie schilt. 
Wie nützlich ist die Malerei, 
so nenn' ich euch jetzt nur der Dinge drei: 
Was uns die Geschichte als treues Vermächtnis 
bewahrt, prägt sie uns ins Gedächtnis 
Wie der Nürnberger Heer unter Schwepper— 
mann glänzte, 
wie den Dichter hier Kaiser Friedrich bekränzte. 
Wer sich auch nicht auf die Schrift versteht, 
des Malers Schrift ihm nicht entgeht. 
Er lehrt, wie Bosheit bringt Mißgeschick, 
wie Frömmigkeit bringt Ehr' und Glück. 
Zum andern verscheucht die Malerei 
uns der Einsamkeit Tochter, die Melancholei. 
Sie lichtet der düsteren Schwermut Schmerz, 
verklärt uns das Auge durch Lust und Scherz. 
Zum dritten: Jegliche Kunst erkennt 
in des Malers Kunst ihr Fundament, 
der Steinmetz, Goldschmied und derSchreiner, 
Formschneider, Weber; der Werkmeister keiner 
entbehrt sie je, weshalb die Alten 
sie für die herrlichste Kunst gehalten. 
Wie strahlt der Griechen Namen hell, 
Zeuxis, Protogenes, Apell; 
19
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.