Dritte Periode.
Vom Ausbruch der großen französischen Revolution bis zur
Gegenwart 1789-1884.
I. Die Revolution und Napoleons I. Kaiserherrschast
1789—1815.
§ 121.
Ursachen und Anfang der Revolution.
1. In Frankreich regierte nach Ludwigs XV. Tode (§ 117, 1)
dessen Enkel Ludwig XVI. (1774—1793), vermählt mit Maria
Antonie von Österreich, Tochter der Kaiserin Maria Theresia.
Während der Regierung seiner beiden Vorgänger war durch
Kriegführung und Verschwendung eine ungeheure Staatsschuld
(4000 Mill. Livres) aufgehäuft worden, welche sich durch die
Teilnahme am nordamerikanischen Kriege (§ 117, 3) noch an¬
sehnlich vermehrte und die fortwährend (jährlich um mehr denn
100 Millionen) zunahm. Der hierdurch veranlaßte Abgabendruck
lastete fast einzig auf dem Bürger- und Bauernstande, während
die beiden ersten Stände, Geistlichkeit und Adel, welche beinahe
zwei Drittel der Ländereien, die größten Vorrechte und die ein-
träglichsten Ämter im Besitze hatten, kaum besteuert waren. Die
Willkür Herrschaft seit Ludwig XIV. (lettres de cachet)
hatte das Königtum verhaßt gemacht, das sittenlose Hofleben
Ludwigs XV. es in Verachtung gebracht. Endlich war durch
beredte Schriftsteller (Voltaire, Rousseau u. a., § 117, 1) die
Ehrfurcht vor den Lehren der Religion untergraben
und Unzusriedenheit mit den bestehenden Staats-
einrichtuugen verbreitet. Es bestand also zwischen den öffent-
lichen Zuständen und den herrschenden Ansichten ein schroffer
Gegensatz. Durch die Gründung des nordamerikanischen Frei-
staats wurde das Verlangen nach einer Umgestaltung des Staats-
Wesens noch mehr angeregt.