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§ 10.
Ate orientalische Irage und Aufstände im Wen.
Durch jugendfrisches Vorwärtsstürmen hatten sich die Türken in
Europa eingenistet und ein ganz fremdes Reis dem Baume der euro-
p(tischen Nationen aufgepfropft.
Schnell waren sie erschlafft, und ihre Kraft war gebrochen im
Kampfe mit Johannitern und Venetianern, mit Deutschen und Tataren,
mit Österreichern und Russen. (S. III, § 9.)
Im XIX. Jahrhundert hielten sie sich nur noch durch den Neid
der europäischen Regierungen. Die orientalische Frage setzt sich zu-
sammeu aus folgenden Faktoren, welche mit einander in Wechsel-
Wirkung stehen:
I. Freiheitsbestrebungen der unterworfenen christlichen Stämme der
Balkanhalbinsel:
Griechen, Serben, Rumänen, Bulgaren, Montenegriner, Bosnier.
II. Gelüste Rußlands, auf der Balkanhalbinsel festen Fuß zu faffen.
IH. Bestreben Rußlands, seine äußerst ungünstige maritime Stellung
zu verbessern.
a. Eroberung von Konstantinopel.
b. Vordringen in Asien bis zum indischen Ocean.
(An den großen Ocean gelangten sie 1858 durch Erwerbung
der Amurländer.)
Naturnotwendigkeit: 1. Ausfuhrhäfen für die Produkte ihres ge-
wältigen Hinterlandes.
2. Luftlöcher für das im Norden durch das
Eismeer verschlossene Reich.
Natürliche Gegner gegen Rußlands Orientpolitik:
1. England — a. strebte selbst nach dem Besitz von Konstantinopel
zur Beherrschung des Levantehandels,
b. fürchtete die gefährliche Nachbarschaft Rußlands
in Indien.
2. Österreich — a. fürchtete die gefährliche Nachbarschaft Ruß-
lands an der Donau.
b. strebte nach Schaffung selbständiger Mittel-
staaten zwischen Österreich-Rußlaud-Türkei.
Zuerst gelingt dies mit dem Königreich Griechenland.
Der griechische Befreiungskrieg 1821 —1831
und der russisch-türkische Krieg 1828 —1829.
Grund: Befreiung der Griechen vom Türkenjoch.
Veranlassung: Ipsilantis verunglückter Aufftaud an der Moldau.
1821 Alexander Apsilanti, der Sohn des frühem Hofpodars der
Moldau und russischer Offizier, erläßt mit Hinweis auf
russischen Schutz den
Aufruf an die Hellenen, daö Türkenjoch abzuschütteln.