Christoph yon Grimmelshausen.
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Hiermit beschloss mein Knän seine Erzehlung, weil er eins
tranck, dann ich sprach ihm gar gütlich zu. Da er aber das Glass
ausgeleeret hatte, fragte ich: Und wie ist es darnach weiter mit der
Frau gangen? Er antwortete: Als siedergestalt Kindbetterin worden,
5 bat sie mich zu Gevattern, und dass ich das Kind ehistens zu der
Tauffe fördern wolte, sagte mir auch ihres Manns und ihren Kamen,
damit sie mögten in das Tauffbuch geschrieben werden, und indem
thät sie ihr Felleisen auf, darinn sie wol vortreffliche und sehr köst¬
liche Sachen hatte, und schenkte mir, meinem Weib und Kind, der
io Magd und sonst noch einer Frau so viel, dass wir wol mit ihr
zu frieden seyn können. Aber indem sie so damit umging und uns
von ihrem Mann erzehlete, starb sie uns unter den Händen, als sie
uns ihr Kind zuvor wohl befohlen hatte. Weil es dann nun so gar
ein grosser Lermen im Land war, dass niemand bey Hauss bleiben
lökonte, vermogten wir kaum ein Pfarr-Herrn, der bey der Begräbnus
war und das Kind tauffte, da aber endlich beydes geschehen, ward
mir von unserm Schultzen und Pfarrherrn befohlen, ich solte das
Kind aufziehen, biss es gross würde, und vor meine Mühe und
Kosten der Frauen gantze Verlassenschafft behalten, ausgenommen
20 etliche Pater Noster, Edelgesteine und so Geschmeiss, welches ich
vor das Kind aufbehalten solte. Also ernährte mein Frau das Kind
mit Gaissmilch, und wir behielten den Buben gar gern und dachten,
wir wolten ihm, wann er gross würde, unser Mädgen zur Frau geben,
aber nach der Nördlinger Schlacht habe ich beydes das Mägdlein
25 und den Buben verloren samt allem dem, was wir vermogten.
Ihr habet mir, sagte ich zu meinem Knän, eine artliche und
recht annehmliche Geschichte erzehlet und doch das beste vergessen,
dann ihr habet nicht gesagt, weder wie die Frau, noch ihr Manu
oder das Kind geheissen. Herr, antwortete er, ich habe nicht ge-
30 meint, dass ihrs auch gern hättet wissen mögen. Die Edelfrau biesse
Susanna Rarnsi, ihr Mann Capitäin Sternfels von Fuchsheim, und
weil ich Melchior hiess, so liess ich den Buben bey der Tauffe
auch Melchior Sternfels von Fuchsheim nennen und ins Tauff-Buch
schreiben.
35 Hieraus vernahm ich umständlich, dass ich meines Einsiedlers
und des Gubernator Ramsay Schwester leiblicher Sohn gewesen,
aber ach leider viel zu spat, dann meine Eltern waren beyde tod,
und von meinem Vetter Ramsay konte ich anders nichts erfahren,
als dass die Hanauer ihn mit samt der Schwedischen Guarnison
40 ausgeschafft hätten, wesswegen er dann vor Zorn und Ungedult gantz
unsinnig worden wäre. —
Nicht lange darnach stirbt die zweite Frau des Simplex auch. Nun
setzt er seinen Knän und seine Meuder als Verwalter seines Gutes ein:
es geht alles gut. So hat er Zeit, den Schwarzwald zu durchstreifen, auch
den Mummelsee besucht er. Seine größte Freude aber ist es, wenn er
hinter den Büchern sitzen kann. Noch einmal erwacht in ihm die Liebe