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Volkshäupter, die Varus sich geneigt glaubt, die aber längst für Her-
inann's kühnen Plan gewonnen sind, rathen ihm, hinzuziehen und die
Empörung zu dämpfen. Sie selbst versprechen, mit ihren Völkern zu
ihm zu stoßen und beurlauben sich. Der sorglose Varus geht in alle
Schlingen, welche ihm gelegt werden. Er bricht mit drei Legionen, einem
Heere mit den Hülfstruppen von etwa 50 000 Mann, auf und dringt in
den Teutoburger Wald (im Lippe^Detmoldschen). Nirgends findet er
gebahnten Weg, überall dichte Wälder. Heftig strömender Regen und
schlüpfriger Boden hemmten die Schritte seiner schwerbewaffneten Krieger.
Da verläßt Hermann den Hinterhalt, aus welchem er die Bewegungen
der Römer beobachtet hatte. Auch die übrigen Fürsten langen mit ihren
Völkern au: Varus wird von allen Seiten umringt! Drei Tage und drei
schreckliche Rächte kämpfte der Ueberlistete mit seinen vor Hunger und
Ermattung erschöpften Soldaten gegen Feind und Ungemitter an. Nir-
gends Hülfe! Nirgends Rettung! Da stürzt er sich aus Verzweiflung in
sein Schwert. Seinem Beispiele folgen mehre Unterbefehlshaber. Nur
wenige Römer entkamen, fast alle sielen als Opfer der Erbitterung eines
freien, schwer gereizten Voltes.*) Von den Gefangenen wurden mehre den
vaterländischen Schutzgöttern geschlachtet; andere, denen das Leben geschenkt
wurde, mußten die niedrigsten Sklavendienste verrichten, und Mancher,
der zu Rom in einem prunkenden Palaste gewohnt hatte, ging jetzt als
Hirt hinter den deutschen Heerden her oder verrichtete schwere Feldarbeit.
Die Nachricht von dieser Niederlage verbreitete zu Rom Furcht und
Schrecken. Laut klagte der Kaiser in seinem Palaste, rannte wie ein
Wahnsinniger mit dem Kopfe gegen die Wand und rief einmal über das
*) In der Nähe des heutigen Detmold, auf der Spitze des 1200 Fuß
hohen Tentberges oder Grotenburg, ist dem Befreier Deutschlands ein gro߬
artiges Standbild, das Hermans-Denkmal, errichtet worden. Schon im Jahre
1838 begann der Künstler, Ernst von Bändel, das riesige Werk, welches aber
erst nach dem letzten glorreichen Kriege unseres Volkes fertiggestellt werden
konnte und am 16. August 1875 in Gegenwart des Kaisers und einer zahl¬
losen Menge enthüllt wurde. Das Denkmal mißt mit dem Unterbau der aus
.Kupfer getriebenen Figur 183 Fuß Höhe; das Gesammtgewicht der Figur
beträgt gegen 153000 Pfund; die Kosten des ganzen Denkmals belaufen sich
auf etwa 78000 Thaler.
„Deutsche Einigkeit meine Stärke,
Meine Stärke Deutschlands Macht"
lautet die goldene Inschrift auf dem 24 Fuß langen unb 11 Centner schweren
Schwerte in der Faust des nach Westen, zum Rhein hin, schauenden Helden.