Augustus.
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her bedeutete. Der schlaue Octavius nämlich trat anfangs ganz
leise auf, und gewöhnte erst ganz nach und nach seine neuen Unter¬
thanen an die unumschränkte Gewalt. So ließ er zuweilen noch
das Volk sich versammeln; er ließ den Senat bestehen und wohnte
seinen Sitzungen manchmal bei; er hob die Consnlwürde nicht auf,
sondern ließ sich in den ersten Jahren jährlich zum Cousul er¬
wählen und nahm endlich diese Würde auf Lebenszeit an. Wirk¬
lich fühlten sich auch die Römer unter ihm nicht unglücklich. Er
regierte milder, als man nach seinem Benehmen während des
Triumvirats hätte glauben sollen, und war freigebig, mild und
gerecht, als wollte er seine früheren Vergehungen wieder gut
machen. Man gab ihm nun den Beinamen Augustus, d. i.
der Erhabene, Heilige, und dieser Name gefiel ihm so, daß er ihn
nachher immer geführt hat, und so wollen wir ihn nun auch
nennen. Wenn wir ihn einen guten Regenten nennen, so ist dabei
aber auch zu erinnern, daß er zwei treffliche Rathgeber, Agrippa
und Mäcenas, hatte. Letzterer besonders ist dadurch berühmt
geworden, daß er Gelehrte, Dichter und Künstler herbeizog und
belohnte, die nun auch wieder seinen Ruhm priesen, so daß man
noch heutzutage einen reichen oder mächtigen Mann, der Wissen¬
schaften und Künste begünstigt, einen zweiten Mäcen zu nennen
pflegt. Me haben auch in Rom so viele treffliche Schriftsteller,
besonders Dichter, gelebt, als unter des Augustus Regierung, und
wir schätzen uns glücklich, noch manche ihrer Werke zu besitzen.
Unter ihm schrieb Horaz seine trefflichen Oden und Episteln,
Virgil das herrliche Heldengedicht: die Aeneide, Ovid seine Ver¬
wandlungen, Livins seine römische Geschichte, anderer Männer
und Werke nicht zu gedenken. Aber diesen Leuten fehlte es auch
an Aufmunterung nicht; so erhielt einmal Virgil für 27 Zeilen,
die er zum Andenken des Marcell, des geliebten Schwiegersohns
des Kaisers, bei dessen Tode gedichtet hatte, von diesem so viel
wie 10,000 Reichsthaler geschenkt. Auch gab August eine Menge
guter Gesetze, steuerte der Grausamkeit bei den Fechterspielen und
stellte die guten Sitten so weit wieder her, wie es ein Einzelner
vermochte. Er selbst gab in Vermeidung des Luxus ein gutes
Beispiel; denn er aß einfach, trank wenig und trug keine andern
Kleider, als solche, die seine Frau, seine Schwester, seine Tochter
oder Enkelin gewebt hatten. Auch sein Palast in Rom war höchst
einfach; man sah hier keine einzige Marmorsäule und 40 Jahre
lang wohnte er Winter und Sommer in einerlei Zimmer; ja, er
Weltgeschichte für Töchter. I. 16. Aufl. 19