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T. Die Herrschaft Ludwigs XIV. in Frankreich.
Kunst, dem Gewaltigen zu schmeicheln, um ihn bei guter Laune zu
erhalten.
Am Hofe galt die Etikette, eine Reihe von Anstandsregeln,
die das Verhalten für alle ordneten. Sie schrieben für die verschie¬
denen Gelegenheiten des öffentlichen Auftretens die Gewänder, die Zahl
und die Art der Verbeugungen, ja überhaupt fast jede Bewegung vor.
Wer etwa eine dieser Regeln falsch anwendete oder gar vergaß, kam
bei Hofe in den Ruf, keine Kenntnis feiner Lebensart zu besitzen, und
konnte sich durch solche Fehler leicht die Ungnade des Monarchen zu-
ziehen, der großen Wert auf eine sorgfältige Beachtung der Etikette legte.
Einheimische wie Fremde staunten über den (Alanz, der sich
vor ihren Augen am Hofe entfaltete. Ein Fest reihte sich ans andre.
Die Hofgesellschaft wohnte Theatervorstellungen und Opern bei oder
stellte lebende Bilder, deren Hauptrolle oft der König in eigner Person
übernahm. Bei den Feierlichkeiten trat jedermann reich geschmückt
auf, am prächtigsten natürlich Ludwig, der bei großen Empfängen für
mehrere Millionen Franken Juwelen und Kostbarkeiten zu tragen pflegte.
Zu solchem Hofleben gehörten natürlich auch prunkvolle Bauten.
Besonders berühmt wurde das Schloß von Versailles, ein Lieblings-
aufenthalt des Herrschers. Der jgorL der es umgab, wies Wege,
Beete und Rasen auf, die genau nach der Richtschnur angelegt waren;
auch die Bäume, Sträucher und Hecken schienen, durch die Kunst der
Gärtner beschnitten, in regelmäßigen Formen zu wachsen.
Den Ruhm des Sonnenkönigs, wie ihn schmeichlerische Höf-
linge nannten, halfen auch die Dicht er fördern. Damals war das
Goldene Zeitalter der französischen Dichtung, und ihre hervor-
ragendsten Vertreter lebten in der Umgebung Ludwigs. Seiner Gunst
erfreute sich Racine, der wie sein großer Vorgänger Corneille
Tragödien schuf und seine Stoffe der Sage oder der Geschichte des
Altertumes entlehnte. Nicht minder geachtet war der Komödiendichter
Moliere. Er brachte Menschen aus dem täglichen Leben auf die
Bühne und geißelte mit scharfem Spotte die Fehler und Schwächen
seiner Zeitgenossen.
Ludwig erreichte durch den Glanz seines Hoflebens tatsächlich,
was er gewollt hatte Fürstenhöfe Europas rühmten die Pracht
von Versailles und wetteiferten, sie nachzuahmen. Aber die ver¬
schwenderische Hofhaltung untergrub den Wohlstand
Frankreichs. Selbst die reichen Geldquellen, die Colbert eröffnet
hatte, versiegten schließlich, und Schuldenlast türmte sich auf
Schuldenlast.