12. Vulkanismus und Neptunismus. 113
Nicht immer gehen diese Hebungen einzelner Theile der Erdkruste so
ruhig und gleichmäßig und deshalb so unmerklich vor sich; sehr häufig viel-
mehr sind sie mit plötzlichen Erschütterungen, mit Erdstößen verknüpft. Er¬
scheinungen derart machen sich fortwährend an irgend einem Punkte der Erde,
bald hier, bald dort, geltend, sie werden fast tagtäglich beobachtet und sind
auch Deutschland nicht sremd. Glücklicherweise nur selten aber steigern sie
sich zu jenen furchtbarsten der irdischen Schrecknisse, die wir Erdbeben
nennen.
Der Mensch wiegt sich in falscher Sicherheit, wenn er den Boden, auf
dem er wandelt, Erdfeste nennt.
In enger ursachlicher Beziehung zu den Erderschütterungen stehen die
vulkanischen Ausbrüche. Auf den Spalten, welche die Erdkruste durchziehen
und die Oberfläche unseres Planeten mit dessen Innerem in Verbindung
setzen, sucht die flüssige Glutmasse des Kernes unter dem Drucke der sich
abkühlenden Hülle einen Ausweg. Es stürzen Ströme schmelzenden Gesteins
(saxa liquefacta, wie schon Vergil sagt,) hervor und breiten sich als Lava-
decken auf dem überschwemmten Untergrunde aus oder stauen sich zu glocken-
förmigen Bergkegeln über dem Austrittspunkte an. Jedoch in nur seltenen
Fällen ist die Eruption eine so ruhige und ungehinderte; meist ist der Wider-
stand eines anderen Elementes zu überwinden, welches in stetem und zum
Theil erfolgreichem Kampfe mit dem Vulkanismus liegt: dies ist das Wasser.
Auf ihrem Wege aus der Tiefe in die Höhe erreicht die Lava Regionen,
welche das Wasser bereits zu einem Schauplatze seiner Thätigkeit gemacht
hat, wo es in tausend Adern und Hohlräumen kreist und alle Gestein-
poren erfüllt. Aber bei der ersten Berührung mit der glutflüssigen Ge-
steinmasse wird das Wasser in Damps verwandelt, Explosion folgt auf
Explosion, die Lava zerstäubt in Atome, zischend dringt der Dampf aus dem
Krater, und Wolken von vulkanischer Asche werden Tausende von Fuß hoch
in die Luft geschleudert. Unter dem Ringkampfe erzittert die Gegend, rol-
lender Donner dringt aus dem Abgrunde empor. Endlich ist der Widerstand
des Wassers überwunden, in Dampfform ist es entwichen und das benachbarte
Erdreich vollständig ausgetrocknet, — da öffnet sich eine Spalte an der Seite
des Vulkanes, hellleuchtend bricht die Lava hervor und stürzt sich, zuweilen
mit der Schnelligkeit eines Sturmwindes die Berghänge hinab itber die Gefilde
und die Wohnstätten der Menschen.
Die vulkanischen Eruptionen der Gegenwart sind unbedeutend im Ver-
gleiche mit denen längst vergangener geologischer Zeiträume, wo sich der
geringeren Dicke der Erdkruste wegen alle Kraftäußerungen des Elements
in großartigerem Maße bethätigen konnten. Auch Deutschland und vor-
nehmlich Mitteldeutschland war einstmals ein weiterstreckter Vulkanheerd. In
Masius, geogr. Charakterbilder. 8