Full text: Von der französischen Staatsumwälzung bis zur Gegenwart (Teil 6)

— 63 — 
er Unruhen in Böhmen unterdrückt hatte, die revolutionäre Haupt- 
stadt mit stürmender Hand, und ein blutiges Gericht erging über die 
Rädelsführer. Bald darauf, im Mai 1848, legte der Kaiser die Re- 
gierung zugunsten seines achtzehnjährigen Neffen Franz Josef 
nieder. Viele Jahrzehnte hindurch sollte dieser, der Verbündete 
und Freund unseres Kaisers, die Krone der Habsburger tragen. 
Einen Aufstand in der österreichischen Lombardei, den der 
König von Sardinien unterstützte, schlug der hochbetagte Feld- 
Marschall „Bater Radetzky" glänzend zu Boden; dagegen konnten 
die U n g a r n , die sich unter dem gewaltigen Volksredner K o s s u t h 
gegen das Kaiserhaus erhoben, nur mit russischer Hilfe bezwungen 
werden; zahlreiche Magnaten, ungarische Große, kamen schimpflich 
an den Galgen. 
Inzwischen spielten sich auch in Berlin schlimme Dinge ab. 
Die preußische Verfassung. 
§ 84. Die Verfassungskämpfe. Die Aufregung im Volke bewog 
Friedrich Wilhelm, durch Erlaß vom 18. März 1848 eine Ver¬ 
fassung zu verheißen. Zugleich verkündete er seinen Entschluß, für 
eine Bundesreform in nationalem Sinne zu wirken. Auch der Ver- 
einigte Landtag wurde von neuem berufen. 
Eine freudige Bewegung ging durch Berlin, und die Volks- 
menge jubelte, als der König auf dem Balkon seines Schlosses er- 
schien. Es entstand dabei ein Gedränge gegen die Schloßwache; als 
Truppen vorrückten, um den Schloßplatz frei zu machen, fielen durch 
Zufall zwei Schüsse. Da schlug die Stimmung des Volkes um. Man 
schrie: „Verrat!" und stürzte zu den Waffen. Aufruhr tobte in den 
Straßen. Das Pflaster wurde aufgerissen, und aus umgestürzten 
Wagen, Bänken und Balken erhoben sich überall Barrikaden. Mit 
Erbitterung wurde gegen die anrückenden Truppen gekämpft; vom 
Nachmittage bis tief in die Nacht floß das Blut, und das Geknatter 
der Gewehre, der Donner der Kanonen hallte durch die Straßen. 
Schon hatten die Truppen den Aufstand beinahe niedergeschlagen, 
als der erschütterte König ihnen Halt gebot. In einem zur Nacht- 
zeit geschriebenen Erlasse „An meine lieben Berliner!" beschwor 
er die Bevölkerung, zur Ruhe und Ordnung zurückzukehren; „eure 
liebreiche Königin und wahrhaft treue Mutter und Freundin, die 
sehr leidend daniederliegt," so schloß der Erlaß, „vereint ihre innigen, 
tränenreichen Bitten mit den meinigen!" 
Das Heer verließ auf seinen Befehl die Stadt, und eine Bürger* 
trehr übernahm den Schutz der öffentlichen Ordnung.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.