Kap. 14. § 62. Die Chinesen. 49 
Ebenso trugen aber auch umgekehrt zur Religion der Phönizier die Götzen¬ 
dienste verschiedener anderer Völker, mit denen sie in Verkehr kamen, nicht 
wenig bei. Der Hang zum Genuß ließ bei den Phöniziern den Sinn 
für ernstere Religion so wenig als für wissenschaftliche Bestrebungen 
aufkommen. Vorzugsweise ihr bewunderungswürdiger Unternehmungs¬ 
geist, dem so viele Küstenländer ihre erste Bildung verdanken, sicherte ihnen 
unter den Culturvölkern des Altertums eine bedeutende Stelle. 
Auch die Erfindung der Schreibkunst schrieb man den Phöniziern zu, was sich 
jedoch nur auf die genauere Ausbildung der zum täglichen Verkehr nöti¬ 
gen Schrift beziehen kann, da ja auch andere Völker schon früh mit Schriftzeichen 
bekannt waren. Auf Ausbildung der bürgerlichen Rechenkunst leitete sie der Handel, 
und wohl fand sich auch schon der Gebrauch des geprägten Geldes bei ihnen vor. 
Kap. 14. Die Chinesen. 
(62.) Uoch müssen in der Reihe der alten Culturvölker die Chinesen mit 
aufgezählt werden, deren ungeheures Reich gegenwärtig 250,000 Quadrat- 
Meilen und 400 Millionen Menschen umfaßt. Ihre Geschichte verliert sich 
gleichfalls in eine mythische Zeit, in welcher, nach ihrer Einwanderung von 
dem Westgebirge Kuenlun her, unter der ersten Dynastie (um die Zeit 
der Ueberschwemmung, in welche von Moses die Sündflut gesetzt wird), der 
an Noah erinnernde Fohi lebte, welchen die Chinesen zugleich als den Er¬ 
finder ihrer Schriftzeichen verehren. Nachdem die Mythe die Anfänge der 
chinesischen Cultur an eine Reihe von acht Regenten geknüpft, beginnt mit 
dem Jahr 2207 eine lichtere Periode, in welcher der berühmte Kaiser Hao 
vorkommt. Die Stifter der dritten Dynastie sollen 1122 v. Chr. mit 
einer Colonie aus dem Westen gekommen sein und neue Bildungselemente 
mitgebracht haben. — Die eigentliche historische Zeit beginnt jedoch erst 
im Jahre 771 v. Chr. mit der Dynastie Tongtseu, unter welcher das 
Reich in viele kleinere Königreiche zerfiel, welche mit einander häufig Kriege 
führten. 
Von dem hohen Alter dieses der mongolischen Rasse Angehörigen 
Volkes zeugt eine sehr frühe, in materieller Beziehung hochentwickelte 
Cultur, da die vielen großen Wasserwege dieses Landes den Gewerb- 
fleiß und die Handelstätigkeit in hohem Grade anregten. Allein diese 
Cultur ist sowohl wegen der einseitigen Naturanlage dieses Volks als 
auch durch die fortwährenden Kämpfe seiner verschiedenen Dynastien teils 
mit einheimischen Fürsten, teils mit den eindringenden Tartaren und 
Hnnnen schon früh stehen geblieben, wenn auch die Annahme, daß 
der Chinese seit Jahrtausenden in geistige Erstarrung verfallen sei, 
zu weit geht. Gewiß ist, daß die Chinesen in sehr früher Zeit den Compaß, 
das Schießpulver und selbst eine Art Büch erdrück gekannt haben, wie 
sie denn auch (nach A. v. Humboldt) gleichfalls in der frühesten Zeit, mit 
der Astronomie vertraut, die Kometenbahnen und Sternschnuppen¬ 
schwärme beobachtet haben. Besonderen Ansehens erfreut sich als älteste Be¬ 
schäftigung der Ackerbau, der unter dem unmittelbaren Schutze des Kaisers 
steht (bebaut er doch selbst ein Stück Landes). Daneben ist die Theecultur 
und der Seidenbau eine Quelle der größten Reichtümer für das Land. 
Die Sprache und Schrift der Chinesen ist ein treuer Abdruck ihres Wesens. Sie 
haben nur 450 einsilbige Worte, die durch vier verschiedene Betonungen 1203 Wort- 
Dittmar, Umriß d. Weltgesch. 12. Aufl. I. 4
	        
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