Full text: Deutsches Lesebuch für die oberen Abtheilungen ein- und mehrklassiger Elementarschulen in der Stadt und auf dem Lande

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Im Jahre 1792 legte der letzte Markgraf von Anspach-Baireuth die Regierung 
freiwillig nieder und trat seine Länder an Preußen ab. Um dieselbe Zeit (1793) 
beschlossen Rußland, Oestreich und Preußen eine zweite Verkleinerung des 
unruhigen Königreichs Polen, und Friedrich Wilhelm nahm Süd-Preußen 
mit den Städte»' Danzig und Thor«. Das unglükkliche Polen empörte sich 
dagegen und suchte mit den Massen in der Hand das Verlorne wieder zu erlangen; 
aber das polnische Heer, unter KoSciuSkv und MadalinSky, mußte der 
Uebermacht unterliegen. Eö erfolgte 1795 die dritte Theilung und gänzliche 
Auflösung Polens, wobei unser König die Hauptstadt Warschau und den 
Distrikt Neu-OstPreußen erhielt. Durch diese Ländererwerbungen wurde der 
preußische Staat um mehr als 1600 QMeilen vergrößert und umfaßte nun 
5250 QMeilen mit 8>/r Million Einwohnern. 
Die Sparsanikeit der vorigen Könige übte Friedrich Wilhelm II. nicht. 
Denn als er starb, war der bedeutende, von Friedrich II. sorgfältig gesammelte 
Staatsschatz von 80 Millionen Thalern ausgegeben, und noch dazu 28 Millionen 
Thaler Schulden gemacht. Ein großer Theil der bedeutenden Ausgaben war 
aber durch Kriege entstanden, die geführt wurden, von denen der Kampf 
gegen die französische Republik (1792—1795) der merkwürdigste ist. 
Im Jahre 1789 war nämlich i» Frankreich eine Revolution auSgebrochcn, die 
ihre Schrekken über ganz Europa verbreitete. Der damalige französische König, 
Ludwig XVI., war ein frommer und herzensguter Fürst, dem cs recht ernstlich 
darum zu thun war, sein Volk glükklich zu machen. Aber cs wollte ihm nicht 
gelingen. Die überaus große Sittenlosigkeit und Verschwendung seiner Vorgänger 
(Ludwig XIV. v. 1013 —1715 und Ludwig XV. v. 1715 —1774) hatten das 
Land schon zu tief iuö Verderben gestürzt. Die Schuldenlast und daö Elend 
des Volkes wuchsen von Jahr zu Jahr und erreichten eine unerträgliche Höhe. 
Steuern über Steuern mußten gefordert und gezahlt werden, und zwar nur von 
dem Bürger und Bauer; denn der reiche Adel und die begüterte Geistlichkeit 
waren steuerfrei. Und als der gute König Ludwig XVI. die Stände des Reiches 
versammelte (5. Mai 1789), um über daö Wohl der ganzen Nation zu berathen, 
bestanden jene Bevorzugten hartnäkkig auf ihren Vorrechten und wollten zur 
Rettung deS Vaterlandes Nichts beitragen. Da griff das übel berathene und 
aufgereizte Volk zu eigenmächtiger Selbsthülfe und riß Alles um und um. 
„Freiheit und Gleichheit!" war das Feldgeschrei. Aber die gottlose 
Mehrzahl verstand unter Freiheit: Zügellosigkeit und Willkür; unter 
Gleichheit: Gemeinschaft d e S Vermöge» s. Man fiel über den Adel und 
die Geistlichkeit her, und des Raubens, PlündernS, MordenS und Blutvergießens 
war kein Ende. Die Bessern des Landes suchten ihr Heil in der Flucht. Auch 
der König beabsichtigte, sein Land, daö zu einer Mördergrube geworden, wo 
weder Gut, noch Leben mehr sicher war, zu verlassen; allein er wurde unterwegs 
angehalten, gefangen genommen, vor ein Blut-Gericht gestellt und endlich mit 
seiner Gemahlin*) hingerichtet (21. Januar u. 16. Oktober 1793). Frankreich 
nannte sich nun eine Republik. Die Gottvergessenheit und die heidnischen 
Gräuel gingen sogar so weit, daß man einen heidnischen Kalender einführte, die 
Sonntage und alle christlichen Feste abschaffte, den lieben Gott absetzte (indem 
man bekannt machte: „Es giebt keinen Gott; darum soll auch keiner 
mehr angebetet werden" —), die Gotteshäuser plünderte und die Altäre 
des Herrn zerstörte. 
Endlich verbanden sich der deutsche Kaiser Franz II. und unser König 
Friedrich Wilhelm II., um daö leichtsinnig tobende Volk wieder zur Ordnung 
zurükkzuführen, und es entspann sich ein gewaltiger Krieg mit Frankreich. 
*) Marie Antoinette, eine Tochter der uns bekannten Maria Theresia.
	        
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