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Schweiz, aus Franken und Holland sollten die wüsten Strecken wieder bebauen.
Für Preußen wurde besonders die Aufnahme der Salzburg er wichtig, die der
Erzbischof Firmian wegen ihres evangelischen Glaubens aus der Heimat vertrieben
hatte. In großen Scharen kamen die Unglücklichen durch Thüringen nach Berlin,
wo sie von der königlichen Familie empfangen und bewirtet wurden. Von hier
wurden sie nach Stettin befördert, um dann zu Schiff nach der Provinz Ostpreußen
gebracht zu werden. Der König reiste selbst nach dem Osten, um die Ansiedelung
der Vertriebenen in der Nähe von Memel, Tilsit, Gumbinnen und Insterburg
zu überwachen. Er gab ihnen Äcker, Wiesen, Wälder, Vieh, Ackergeräte, Geld,
Holz und Steine, damit sie sich auf eigenem Grund und Boden Wirtschaftsgebäude
errichten konnten. Außerdem ließ er ihnen Kirchen und Schulen bauen. So milderte
der König furchtbares Elend und bereicherte sein Land; bei seinem Tode waren
in dem unfruchtbaren Litauen 60 000 Hufen Land neu besiedelt, 12 Städte und
332 Dörfer gegründet und 49 Domänen königlichen Verwaltern übergeben. —
Auch in der Mark selbst suchte der König Länderstrecken urbar zu machen. Das
Havelluch, eine Fläche von 22 Quadratmeilen, war wegen seines sumpfigen
Bodens für die Anwohner nicht bloß unbenutzbar, sondern auch ungesund.
Der König wollte es trockenlegen lassen; allein eine eingesetzte Kommission
erklärte die Absicht für unausführbar. Da legte Friedrich Wilhelm selbst
Hand an; Arbeiter, Bauern und Soldaten mußten Abzugsgräben auswerfen.
Nach sieben Jahren angestrengter Arbeit war das Werk vollendet. Auch
in den weiten Warthebrüchen wurden einige Stellen der Bodenkultur
gewonnen.
Leider seufzte damals noch der B a n e r n st a n d unter den Lasten der Leibeigen¬
schaft. Der Bauer wurde mit Abgaben und Steuern gedrückt; er mußte seines
Herrn Äcker bewirtschaften, wurde von ihm geschlagen oder sogar von Haus und
Hos gejagt. Unter solchen Verhältnissen konnte natürlich die Landwirtschaft nicht
erfolgreich gefördert werden, denn der arme Bauer fand oft genug keine Gelegen¬
heit, seine Felder gründlich zu bestellen. Friedrich Wilhelm erkannte, daß durch
die Leibeigenschaft der Wohlstand seines Volkes geschädigt wurde. Für seine
Güter gab er deshalb den Befehl, die Leibeigenschaft abzuschaffen. Am liebsten
hätte er den Bauernstand überhaupt von allen Abgaben befreit; denn er meinte,
es sei eine edle Sache, wenn die Untertanen statt der Leibeigenschaft sich der Freiheit
rühmen könnten. Doch traf der König mit seiner Ansicht überall auf Widerstand;
selbst die Bauern standen der Neuerung mißtrauisch gegenüber. Dennoch suchte
Friedrich Wilhelm ihr Los zu bessern. Er verbot den Herren, die Bauern vom
Hof zu jagen, und stellte die Zahl derjenigen Tage fest, an denen Dienste geleistet
werden mußten. Seinen Räten untersagte er, mit den Pferden der Bauern spazieren
zu fahren, und den Verwaltern der Domänen nahm er das Recht der körper¬
lichen Züchtigung. Wer dennoch einen Bauern mit Schlägen mißhandelte,
sollte sechs Wochen in der Festung Karren schieben, im Wiederholungsfälle
sollte er sogar mit dem Strange bestraft werden. Bei seinen Reisen zog
der König Erkundigungen ein, ob seine Anordnungen und Befehle auch
befolgt würden.