Full text: Geschichtserzählungen

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der Rinderhirt, die alle Hintertüren verriegelt hatten, traten 
jetzt auch bewaffnet herein. Da wimmerten die Elenden um 
Schonung; aber Odysfens kannte kein Erbarmen. Mit jeglichem 
Schusse streckte er einen Freier zu Boden; auch Telemach 
und die beiden Hirten hielten sich wacker. Endlich war der 
furchtbare Kampf vollendet: von allen den Freiern war keiner 
mehr am Leben. Da ließ Odysseus die Leichen hinwegschaffen 
und suchte die liebe Gattin auf. Die hatte in ihrem weit ab- 
gelegnen Gemache von dem grausigen Mordgetümmel nichts ver- 
nommen; denn ein tiefer Schlaf hielt sie umfangen. Wie staunte 
sie, als sie nun alles vernahm, und mit Freudentränen im Auge 
flog sie dem endlich wiedergekehrten Gatten an die Brust. 
37. König Kodrus. 
1. Dorier und Jonier; des Kodrus Opfertod. Im 
trojanischen Kriege haben wir die vielen griechischen Staaten zum 
Kampfe gegen einen auswärtigen Feind vereinigt gesehen. Nicht 
lange danach aber brachen in Griechenland selbst große Bewe¬ 
gungen und Kämpfe aus. Ein Stamm verdrängte den andern, 
einer suchte über die andern zu herrschen. Die beiden wichtigsten 
Stämme waren die D o r i e r und I o n i e r. Die Dorier wohn- 
ten anfänglich im Norden des Landes, dann aber zogen sie über 
den Meerbusen von Korinth nach dem Peloponnes und eroberten 
beinahe die ganze Halbinsel (1104 v. Chr.). Von hier suchten 
sie auch in Mittelgriechenland vorzudringen und griffen die zum 
Stamme der Jonier gehörenden Athener an. Aber der 
König Kodrus von Athen rettete fein Vaterland durch eine 
hochherzige Tat. Das Orakel zu Delphi hatte gesagt, diejenige 
Partei würde den Sieg erlangen, deren König von den Feinden 
erschlagen werde. Da beschloß Kodrus, sich für fein Volk zu 
opfern. Aber weil die Feinde sich wohl gehütet hätten, ihn im 
Kampfe zu töten, legte er die Zeichen feiner königlichen Würde 
ab, verkleidete sich als Landmann und ging mit einem Bündel 
Holz auf dein Rücken und einer Axt in der Hand in das feind¬ 
liche Lager. Hier fing er absichtlich Streit an und wurde er¬ 
schlagen. Als die Dorier erfuhren, wer der Getötete war, ver- 
loren sie allen Mut und traten eiligst dm Rückzug an.
	        
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