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§ 98.
Ludwig XIV.
1. Durch den dreißigjährigen Krieg war die Kraft und
das Ansehen Deutschlands nach Außen gebrochen. Dagegen
übten jetzt Frankreich und Schweden lange Zeit den größten
Einfluß auf die Angelegenheiten Europa's aus.
2. In Frankreich regiert? Ludwig XIV. (1643
bis 1715), der Enkel Heinrichs IV., anfangs wäh- n ~
rend seiner Minderjährigkeit unter Vormundschaft des Ludwigxiv.
Ministers Mazariu, später (seit 1661) selbstständig.
Er war ein prachtliebender und ehrgeiziger Regent, der
während einer 72jährigen Regierung dem Lande viel Glanz und
Macht verschaffte, aber auch durch die Art und Weise, wie er
herrschte, den Grund zum innern Verderben Frankreichs legte. Er selbst
besaß keine großen persönlichen Eigenschaften, aber er verstand es,
tüchtige Männer zu wählen, durch welche er große Dinge in seinem
Namen ausführen ließ.
3. Unter diesen erwarb sich der weise Colb ert um die innere
Verwaltung Frankreichs bleibende Verdienste. Denn dieser besör-
derte den Ackerbau, den Gewerbfleiß, den Handel durch
Anlegung von Kanälen und Gründung von Kolonien. Der König
selbst'liebte Künste und Wissenschaften und suchte mit ihrem
Glänze sich zu umgeben. Frankreich hatte unter seiner Regierung eine
Reihe ausgezeichnetster Schriftsteller und Künstler, die er meist
reichlich unterstützte. Dadurch wurde die französische Sprache
frühe gebildet und auch auswärts so beliebt, daß sie bald die
Sprache der Höfe und die allgemeine Umgangssprache in Europa
wurde.
4. Ludwig wollte Frankreich zur ersten Macht in Europa er-
heben. Er war daher fast immer in Eroberungskriege mit den
Nachbarstaaten verwickelt, besonders mit Deutschland, auf dessen
Kosten er sich zu vergrößern suchte. Diese Kriege führte er meist
glücklich durch eine Reihe ausgezeichneter Feldherrn, wie Turenne,
Conde, Vanban, Catinat, Vendome n. A.
5. Wie wenig aber der französis che König die Grunds ätze des Rechts
und der Humanität achtete, und seine Handlungsweise meist nur
nach den Eingebungen der Selbstsucht und der Schlauheit bestimmte,
zeigt, daß er mitten im Frieden mit Deutschland die uralte deutsche
Reichsstadt Straßburg, den Hauptsitz deutscher Kultur und
Wissenschaft am Oberrhein, durch schändlichen Verrath einiger von
ihm bestochener Rathsherren, gegen den Willen der Bürgerschaft
hinwegnahm und durch französische Truppen besetzen ließ (30.
Sept. 1681). Bald darauf ließ er in einem neuen Kriege mit
Deutschland (dem sogen, orleanischen Krieg) einen großenTheil
des schönen Rheinthales in barbarischer Weise verwüsten.