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Meeres reizte die Phönicier schon in früher Zeit zur
Schiffahrt. Sie umfuhren die ganze Küste des mittel¬
ländischen Meeres und tauschten Ware gegen Ware
ein. Sogar bis an die Küste der britischen Inseln sind
sie mit ihi’en Schiffen gelangt; von den Küsten der
Ostsee erhielten sie1) den Bernstein, der im Altertum
einen noch gröfseren Wert hatte als in der Jetztzeit
Gold und Silber. Daher häufte sich im Lande ein grofser
Reichtum auf, und der Wohlstand des Volkes war welt¬
berühmt. Besonders mächtig waren die beiden Städte
Sidon und Tyr us.2) Die letztere behauptete sich lange
gegen viele Eroberer, bis sie endlich in die Hände
Alexanders des Grofsen fiel.
2. Gründung Karthagos. Von den vielen Kolo-
nieen, welche die Phönicier an den Küsten des Mittel¬
meeres angelegt haben, war die bedeutendste Karthago.
Uber die Gründung dieser Stadt erzählen die Alten
folgendes. Pygmalion, ein König von Tyrus, hatte
eine Schwester mit Namen Dido, welche mit ihrem
reichen Oheim Sichäus vermählt war. Die Gier nach
den Schätzen desselben verleitete den Pygmalion, seinen
Schwager zu ermorden. Da floh Dido mit einer Anzahl
ihrer Getreuen und landete an der Küste von Nord¬
afrika. Hier bat sie die Eingebornen, ihr ein so grofses
Stück Landes abzutreten, als sie mit einer Ochsenhaut
umspannen könne. Die Bitte wurde ihr bewilligt; aber
nun zerschnitt Dido die Ochsenhaut in viele feine Streifen,
verband dieselben mit einander und umspannte damit
*) Allerdings durch Zwischenhändler und, wie es scheint,
auf dem Landwege (Weichsel, Donau).
2) Die Blüte beider Städte fällt in die Zeit von 1300 bis
1000 vor Chr. Geb.