Full text: Deutsche Lebensbilder und Sagen für den Geschichtsunterricht auf der Mittelstufe höherer Mädchenschulen

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dafür erhalten. „Wie wohlfeil wird doch die Knechtschaft erkaufte rief 
Armin. Und dann sprachen sie gegen einander, Flavns von Roms Größe, 
des Kaisers Macht, von der Strafe des Abfalls, dem Lohn des Gehorsams, 
von der Sicherheit für Weib und Kind; Armin von der Pflicht gegen das 
Vaterland, von der angestammten Freiheit, von den Schutzgöttern Deutsch- 
lands; er beschwor den Bruder mit den dringendsten Bitten; mit ihm — 
sagte er — flehe die Mutter, er möchte sein Haus, seine Familie, sein Volk 
nicht verlassen noch verraten. Immer heftiger wurde Rede und Gegenrede. 
Die Brüder gaben ihren Pferden die Sporen und jagten in den Strom 
hinein; aber von beiden Seiten eilten die Gefährten herbei und riffen 
sie zurück. 
5. Wie gegen seine nächsten Verwandten, so hatte Armin auch gegen 
einen eifersüchtigen deutschen Fürsten, namens Marbod, zu kämpfen. 
Schließlich erlag der Held den kleinlichen Nachstellungen seiner eignen 
Familie. Weil er angeblich nach der Königswürde strebte, wurde er hinter- 
listig von seinen Angehörigen umgebracht. 
So uneins waren die Deutschen, wenn es galt, den gefährlichen Feinden 
entgegenzutreten, und so üblen Dank empfing der Mann, der sein Vater- 
land befreit hatte. 
2. Weoderich der Große (493—526). 
1. Das Römerreich war alt und morfch geworden; ein germanischer 
Heerführer, Odoaker, hatte es 476 zerstört. Aber noch immer befeindeten 
sich die nahe verwandten Stämme der Germanen. Um das schöne Italien 
für sich selbst zu gewinnen, zogen die Ostgoten gegen Odoaker heran. 
An ihrer Spitze stand ein heldenhafter Fürst, Namens Theoderich, 
der, ähnlich wie Armin, in seiner Jugend unter den Römern gelebt hatte. 
Achtjährig war er als Geisel nach Konstantinopel gekommen; aufgeweckten 
Geistes hatte er den Römern ihre Bildung, ihre Künste im Kriege und 
Frieden abgelauscht; dann war er zu seinem Volke zurückgekehrt, das, uneins 
in sich, auseinander zu fallen drohte. Mit starker Hand einigte der junge 
Theoderich die Oftgoten. Dann führte er sie, voll Sehnsucht nach den 
herrlichen Gesilden des Südens, in Odoakers Gebiet. Ein harter Kampf 
entbrannte: Germanen gegen Germanen; endlich siegte der Gotenkönig. Aber 
fo gefährlich erschien ihm der Gegner, daß er ihn trotz des gegebenen Wortes 
meuchlings mit eigner Hand tötete. 
2. Diese Frevelthat warf einen dunklen Schatten auf die Regierung
	        
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