Full text: Bilder aus der Götter- und Heldensage der Griechen, Römer und Deutschen (Teil 1 = Sexta)

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Umgebung bildeten auserlesene Fürsten und Helden des Franken- 
Volks, die zwölf Paladine; aber sehr gern verkehrte Karl 
auch im Kreise der Gelehrten, die er an seinen Hof berufen hatte 
und mit denen er eine gelehrte Gesellschaft, später die Aka- 
d e m i e genannt, begründete. 
In Aachen, in der unterirdischen Halle des von ihm erbauten 
Doms, wurde Karl der Große beigesetzt, als er, zweiundsiebzig- 
jährig, gestorben war. Seine Nachkommen, das Haus der Karo- 
l i n g e r , sind bald erloschen. 
b) Roland. 
Gegen den Willen Karls hatte seine Schwester Bertha dem 
Grafen Milon von Anglante ihre Hand gereicht; beide 
wurden deshalb vom Hofe verstoßen. Milon flüchtete vor Karls 
Zorn über das Meer, und da keine Nachricht von ihm kam, hielt 
man ihn für tot. Bertha aber hauste mit ihrem kleinen Sohn R o - 
l a n d in einer Höhle im Walde unweit von Aachen. Beide lebten 
in äußerster Dürftigkeit und wußten oft nicht, wovon sie sich nähren 
und kleiden sollten. 
Eines Tages sandte Bertha den Knaben in die nahe Stadt, 
um bei mildtätigen Leuten um Speise zu bitten. Er.geriet in den 
großen Menschenstrom, der zum Palaste flutete. Dort tafelte 
König Ka?l mit seinen Paladinen; kostbare Geräte schmückten die 
Tafel, und die Diener liefen mit den herrlichsten Gerichten ab und 
zu. Karl erstaunte nicht wenig, als ein schöner, ärmlich gekleideter 
Knabe hereinkam, unweit vom König eine der Schüsseln von der 
Tafel hob und fie hinaustrug. Auch die Diener waren erstaunt; 
da aber der König keine Miene verzog, mußten sie den Vorgang 
unbeachtet lassen. Bald kam der Knabe wieder und wollte den 
Pokal, der vor dem König stand, hinwegtragen. Da aber ward 
er angehalten, Karl selbst fragte ihn wegen feines Verhaltens aus. 
Freimütig gab Roland Antwort, und der König ergötzte sich an dem 
unerschrockenen Auftreten des schönen Knaben. Als er erfuhr, daß 
der Raub an Speise und Trank für die Mutter des Knaben, die 
dieser als eine höchst vornehme Dame schilderte, bestimmt sei, gab 
er in scherzhafter Laune einigen Höflingen den Auftrag, die Dame 
herbeizuholen. Wie erschrak er aber, als er in ihr seine eigene Schwester 
erkannte, die abgehärmt und in dürftiger Kleidung auf ihn zu- 
wankte und fußfällig ihn um Gnade anflehte, während Roland sich 
zutraulich an ihn anschmiegte. Da war der alte Groll verflogen; 
Schwester und Nesse erhielten Wohnung im Palaste, und als Milon 
zurückkehrte, fand er ehrenvolle Aufnahme unter die Paladine des 
Königs.
	        
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