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fcenb gefunden, und nur seine Leiche ward dem Könige zurückgebracht,
der in laute Klagen ausbrach. Mit ihm trauerte sein Heer und das
ganze Frankenvolk.
II. Cbürtngtfcbe Sagen.
a) Cudwtg der Bifcrnc.
In dem schönen Waldland Thüringen erwuchs die Herrschaft
eines mächtigen Geschlechts, das später den Titel der Landgrafen
von Thüringen führte. Die meisten Fürsten dieses Hauses waren
hervorragende Männer, deren Namen durch das sinnige Volk der
Thüringer mit allerhand Sagen umsponnen worden sind.
Einer von ihnen war Ludwig der Springer. Als er
einst wegen schwerer Vergehen vom Kaiser auf der Burg G i e -
b i ch e n st e i n bei Halle an der Saale gefangen gehalten wurde,
soll er durch einen kühnen Sprung vom Felsen herab in den tiefen
Fluß sich befreit und davon seinen Beinamen erhalten haben. Er
war auch der Gründer zweier Burgen, von denen aus seine Nach-
kommen ihre Macht ausbreiteten, der Wartburg über Eisenach
und der Neuenburg über Freiburg an der Unstrut. Die letzten
Jahre seines Lebens verbrachte er als büßender Mönch in dem von
ihm gegründeten Kloster Reinhardsbrunn.
Sein Enkel war Ludwig der Eiserne, der schon als
Knabe den Thron bestieg. Während der ersten Jahre seiner Herr-
schüft wäre der Beiname des Milden oder auch des Gleichgültigen
für ihn passender gewesen, denn er hielt sich gern an den Höfen
des Kaisers und benachbarter Fürsten auf, wo er bei ritterlichen
Spielen und Festlichkeiten ein vergnügtes Leben führte. Um sein
schönes Heimatland kümmerte er sich wenig, und es focht ihn nicht
an, daß der hochfahrende Adel des Landes sich allerhand Über-
griffe und Gewalttätigkeiten gegen Bürger und Bauern gestattete.
Da vollzog sich eine vollständige Sinnesänderung des Landgrafen.
Von seiner Wartburg aus, auf der er vorübergehend weilte, ritt
er einst hinaus auf die Jagd und verirrte sich in den dichten Wal-
düngen. Spät am Abend erreichte er in Ruhla die Hütte eines
.Schmieds und bat um Aufnahme. Der Schmied, der nichts von
dem hohen Range des verirrten Jägers ahnte, labte ihn mit Speise
und Trank und wies ihm ein bescheidenes Lager an. Am frühen
Morgen schon wurde der Landgraf aus tiefem Schlummer durch
die Schmiedearbeit feines fleißigen Wirtes geweckt. Verwundert
hörte er, wie dieser jeden seiner kräftigen Hammerschläge mit den
Worten begleitete: „Landgraf, werde hart!" Auf seine Erkundigung