II. Der Kaiser im täglichen Leben.
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Im Nebenzimmer hielt er sich das Tuch vor die nassen
Augen und schluchzte. Seine Thränen fielen auf die Hände
der Gemahlin und des Sohnes von Roon, als er ihnen die
seinige reichte. „Gott stärke Sie!" sagte er zum Abschied
und ging langsam und leise, wie er gekommen, den Kor-
ridor wieder hinunter.
Mit derselben Treue, die nur der Tod löst, hielt der
Kaiser an den beiden anderen Männern, Bismarck und
Moltke fest, die erst nach dem Hinscheiden ihres Herrn aus
ihren Ämtern getreten sind.
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Der Kaiser im täglichen Leben.
XDührend der letzten Jahre verlebte der Kaiser den
Winter und den Anfang des Frühlings in Berlin, trank
etwa im Juni oder Juli in Ems den Brunnen und stärkte
sich später in den heißen Quellen von Gastein. Regel-
mäßig weilte er einige Tage als Gast bei seiner Tochter,
der Frau Großherzogin von Baden, auf der schönen Insel
Mainau im Bodensee. Im Herbst hielt er in diesem oder
jenem Teile des Vaterlandes große Manöver ab und
wohnte dann auf dem Schlosse Babelsberg bei Potsdam.
Von hier aus unternahm er von Zeit zu Zeit, bald in die
Forsten der Ebene, bald in die Mittelgebirge, kürzere
Jagdausflüge.
In Berlin bewohnte Kaiser Wilhelm das kleine Palais
unter den Linden, das er sich schon als Prinz gebaut