Full text: Deutsche, besonders brandenburgisch-preußische Geschichte bis zur Gegenwart (Mittelkursus)

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wichtige Angelegenheiten seines Geschäftsbereichs dem Könige Vortrag 
zu halten hatte und für die Ausführung der königlichen Verordnungen 
verantwortlich war, leitete die auswärtigen und die inneren 
Angelegenheiten, ferner die Finanzen, das Justiz- und 
das Kriegswesen. An die Spitze der Provinzen traten 
Oberpräsidenten und an die Stelle der Kriegs- und Domänen¬ 
kammern die Regierungen mit Regierungspräsidenten. 
Die Regierungsbezirke wurden in Kreise geteilt, die der 
Leitung der Landräte unterstellt blieben. 
Napoleon erkannte, daß Stein an der Befreiung Kreutzens 
arbeite, und erließ deshalb 1808 von Madrid ans einen Achtnngs- 
befehl gegen ihn. Stein floh nach Rußland und suchte hier den 
Kaiser Alexander für die Unterstützung Preußens zu gewinnen. 
Nach Steins Flucht trat in der Durchführung seiner Verbesserungs¬ 
pläne ein Stillstand ein. Erst Hardenberg, der 1810 Staatskanzler 
wurde, führte die Reformen wieder weiter. 
Im Jahre 1813 kehrte Stein nach Preußen zurück und trat 
wieder iu den Staatsdienst ein. Nach dem Wiener Kongreß 1815 
begab er sich aber auf seine Güter in Nassau zurück und beschäftigte 
sich mit geschichtlichen Studien. Er starb 1831. 
4. Die Neugestaltung des Heerwesens. Bald nach dem 
Frieden zu Tilsit begann der König mit der Neuordnung des 
Heerwesens, dessen Mängel in dem unglücklichen Kriege deutlich zu¬ 
tage getreten warnt. Aus den tüchtigsten Offizieren wurde eine 
„Militär-Reorganisations-Kommission" gebildet, an deren Spitze 
Scharnhorst stand. Er gestaltete das preußische Heerwesen 
vollständig um. Das Werbewesen, das Kantonsystem und 
die langjährige Dienstzeit hörten aus. Das Heer sollte in 
Zukunft nur aus Landeskindern bestehen, welche die Erfüllung 
ihrer Dienstpflicht als eine Ehre ansahen. Die entehrenden Strafen, 
wie Stockprügel und Spießrutenlaufen, wurden verboten. Nicht 
nur Adlige, sondern auch Bürgerliche konnten von jetzt ab Offiziere 
werden. Scharnhorst erhöhte auch durch eine bessere Gliederung 
der Truppenteile, durch zweckmäßige Bekleidung und Ausrüstung 
und durch verständige Unterweisung der einzelnen Soldaten die 
Beweglichkeit und Schlagfertigkeit der Armee. 
Obgleich Preußen ein Heer von nur 42 000 Mann halten 
durfte, wurde doch die Zahl der kriegsbereiten Truppen bis zum 
Beginn der Befreiungskriege auf rund 120000 gebracht, indem man 
bei jeder Kompagnie mehrmals im Jahre fünf ausgebildete Soldaten 
entließ und für sie fünf Rekruten einzog. 
Klippel, Die Grundgedanken der Scharnhorstschen Heeresreform. Atzler, 
CUt. Nr. 107.
	        
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