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Die Folgen der Krenzzüge.
1. Allgemeine Folgen. Obgleich in den Kreuzzügen mehrere
Millionen Menschen ihr Leben opferten, haben sie ihren Zweck, die
Befreiung des Heiligen Landes ans der Gewalt der Mohammedaner,
nicht erreicht. Die Ursachen dazu lagen in der Feindseligkeit
der griechischen Kaiser, dem Mangel einer einheitlichen Leitung
der Züge, sowie in der unzulänglichen Kriegsmacht und der Un¬
einigkeit der Christen in Palästina. Trotzdem konnten sich die
christlichen Eroberungen fast '200 Jahre behaupten; denn auch die
Feinde waren uneinig, und die italienischen Städte, die Handels¬
interessen verfolgten, sowie die geistlichen Ritterorden unterstützten
die Christen tatkräftig.
Die Krenzzüge äußerten ihren Einfluß auf alle Verhältnisse
des Abendlandes und hatten für das wirtschaftliche Leben, für die
Kirche, die Wissenschaften und Künste wichtige Folgen.
2. Folgen für das wirtschaftliche Leben. Durch die Kreuzzüge
trat das Abendland mit dem Orient in enge Verbindung, so daß
der Handel einen hohen Aufschwung nahm. Erzeugnisse des
Morgenlandes, wie Seiden- und Samtstoffe, metallene Knust-
gegenstände, Edelsteine und Gewürze, fanden in den abendländischen
Reichen weite Verbreitung, während diese feines Pelzwerk und
Leinenstoffe in den Orient ausführten.
War man früher meist mit dem Tauschhandel ausgekommen,
so entwickelte sich jetzt der Kaufhandel, bei dem die Waren mit
dem leicht fortzuschaffenden Gelde bezahlt werden.
Der Handel mit dem Morgenlande wurde hauptsächlich durch
die Kaufleute der italienischen Städte vermittelt. Diese gelangten
deshalb durch die Kreuzzüge zu Reichtum und Macht, so daß es
ihnen möglich wurde, auch ihre staatliche Selbständigkeit zu erkämpfen.
(Vgl. Friedrich Barbarossa und die lombardischen Städte.) Auch
die deutschen Städte machten infolge der Krenzzüge große Fort¬
schritte. Ihr Handel nahm zu, und neue Gewerbe, wie die Seiden¬
er nd Baumwollenweberei und die Glasfabrikation, wurden eingeführt.
Die Bürger umgaben ihre Stadt mit Mauern und Gräben; sie
übten sich im Gebrauch der Waffen und waren stets auf Verteidigung
vorbereitet.
Wie die Bürger, so gewannen auch die Bauern durch die
Kreuzzüge Vorteile; denn die Leibeigenen wurden durch die Teil¬
nahme an einem Kreuzzuge frei, und mancher wohlhabende Bauer
erhielt Gelegenheit, von einem Ritter, der für die Kreuzfahrt Geld
brauchte, Land zu erwerben.
Der Ritt er ft ant) erlebte während der Krenzzüge seine
Blütezeit. Die Verfolgung eines erhabenen Zieles übte einen ver-