ein „Predigt-Cumpgen antun“, und sobald es geschehen war, bestieg
er einen Stuhl und fing an zu predigen. Dabei sah er sehr ernst—
haft aus. Was zugegen war, mußte ihm zuhören, und wenn
jemand lachte, wurde er unwillig, lief fort und ließ sich sobald nicht
wieder sehen.
Der Lieblingsaufenthalt des Unaben war die freie Natur, und
das war bei der schönen CLage des Dorfes wohl begreiflich. Sehen
wir uns die Gegend von Corch etwas näher an! Wir sind in
einem einsamen Tal. Der Remsfluß windet sich durch Wiesen
an düsteren Tannenhöhen vorbei, ernst schauen alte Klostergebäude
von einer Anhöhe herab. Aus den Hügeln und Senkungen erhebt
sich majestätisch der schroff emporsteigende Hohenstaufen. Gegen
Sudosten treten die schönen Rechberge brüderlich in seine Nähe.
Sonst ist die Aussicht über jene reichen Gegenden mit ihren Fel⸗
dern, Wiesen und Waldungen fast unbeschränkt. Man erkennt
deutlich die Rauhe Alb, und ein Nebelstrich bezeichnet den fernen
Schwarzwald. Das war die Fauberwelt, an der sich die Augen
der Kinder sättigten.
Am liebsten gingen sie in Begleitung des Vaters dahin, wo
Vorzeit und fromme Sitte das junge Gemüt mit heiligen Schauern
umfingen. Sie bestiegen den zwei Stunden entfernten, bei Gmünd
liegenden Ualvarienberg. Hier führte sie der Weg an den in einer
Reihe von Bildwerken dargestellten CLeidensstationen des Heilandes
vorbei und regte ihre Phantasie lebhaft an. In der Vähe be—
suchten sie das Kloster, wo mehrere Glieder des Hohenstaufen⸗
Geschlechts begraben liegen.
Gedrängt von den eifrigen Fragen der Kleinen, begann dann
wohl der Vater von dem herrlichen Kaisergeschlecht zu erzählen.
Die uralte Linde, welche droben vor dem Kloster stand, erinnerte
an viele Geschlechter der Menschen; mancher verfallene Turm sprach
von den Bauernkämpfen und dem Dreißigjährigen Uriege, und aus
der Gegenwart konnte der Vater von Szenen des Siebenjährigen
Krieges als Augenzeuge berichten. So fand die kindliche Phantasie
reichen Stoff, den sie dann in der Abgeschiedenheit des elterlichen
Hauses in sich verarbeiten konnte.
Die Schule war dem KUnaben sehr wichtig; und doch vergaß
er sich einmal, als auf dem Schulwege eine wohlwollende Nach—
barin ihn für einige Augenblicke in ihre Küche rief, damit er dort
sein CLieblingsgericht, süßen Weizenbrei, koste. Uaum aber hatte er
sich über den leckeren Schmaus hergemacht, als sein Vater gleich—
Weimar. Cesebuch IIL,1.
273
18