Full text: Neueste Geschichte von 1815 bis zur Gegenwart (Teil 3)

ein „Predigt-Cumpgen antun“, und sobald es geschehen war, bestieg 
er einen Stuhl und fing an zu predigen. Dabei sah er sehr ernst— 
haft aus. Was zugegen war, mußte ihm zuhören, und wenn 
jemand lachte, wurde er unwillig, lief fort und ließ sich sobald nicht 
wieder sehen. 
Der Lieblingsaufenthalt des Unaben war die freie Natur, und 
das war bei der schönen CLage des Dorfes wohl begreiflich. Sehen 
wir uns die Gegend von Corch etwas näher an! Wir sind in 
einem einsamen Tal. Der Remsfluß windet sich durch Wiesen 
an düsteren Tannenhöhen vorbei, ernst schauen alte Klostergebäude 
von einer Anhöhe herab. Aus den Hügeln und Senkungen erhebt 
sich majestätisch der schroff emporsteigende Hohenstaufen. Gegen 
Sudosten treten die schönen Rechberge brüderlich in seine Nähe. 
Sonst ist die Aussicht über jene reichen Gegenden mit ihren Fel⸗ 
dern, Wiesen und Waldungen fast unbeschränkt. Man erkennt 
deutlich die Rauhe Alb, und ein Nebelstrich bezeichnet den fernen 
Schwarzwald. Das war die Fauberwelt, an der sich die Augen 
der Kinder sättigten. 
Am liebsten gingen sie in Begleitung des Vaters dahin, wo 
Vorzeit und fromme Sitte das junge Gemüt mit heiligen Schauern 
umfingen. Sie bestiegen den zwei Stunden entfernten, bei Gmünd 
liegenden Ualvarienberg. Hier führte sie der Weg an den in einer 
Reihe von Bildwerken dargestellten CLeidensstationen des Heilandes 
vorbei und regte ihre Phantasie lebhaft an. In der Vähe be— 
suchten sie das Kloster, wo mehrere Glieder des Hohenstaufen⸗ 
Geschlechts begraben liegen. 
Gedrängt von den eifrigen Fragen der Kleinen, begann dann 
wohl der Vater von dem herrlichen Kaisergeschlecht zu erzählen. 
Die uralte Linde, welche droben vor dem Kloster stand, erinnerte 
an viele Geschlechter der Menschen; mancher verfallene Turm sprach 
von den Bauernkämpfen und dem Dreißigjährigen Uriege, und aus 
der Gegenwart konnte der Vater von Szenen des Siebenjährigen 
Krieges als Augenzeuge berichten. So fand die kindliche Phantasie 
reichen Stoff, den sie dann in der Abgeschiedenheit des elterlichen 
Hauses in sich verarbeiten konnte. 
Die Schule war dem KUnaben sehr wichtig; und doch vergaß 
er sich einmal, als auf dem Schulwege eine wohlwollende Nach— 
barin ihn für einige Augenblicke in ihre Küche rief, damit er dort 
sein CLieblingsgericht, süßen Weizenbrei, koste. Uaum aber hatte er 
sich über den leckeren Schmaus hergemacht, als sein Vater gleich— 
Weimar. Cesebuch IIL,1. 
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