— 46 —
Macht zu erweitern, um ihre Grundsätze herrschend zu machen. Daher
besetzte jeder Präsident die Staatsämter mit Leuten seiner Partei; um
möglichst viel Ämterjäger zu befriedigen, mußten überflüssige Ämter ge-
schaffen werden. Jeder Beamte weiß, daß er nur vier Jahre seines Amtes
sicher ist, und benutzt daher die Zeit, um sich möglichst viele Vorteile zu
verschaffen. Diese Mißstände, ein Krebsschaden vieler Republiken, sind
zwar seitdem bedeutend gemindert, aber noch nicht beseitigt worden.
In politischer Hinsicht stehen sich gegenwärtig in der Union die
Demokratische und die Republikanische Partei gegenüber. Die Demokratische
Partei will betreffs des Handels einen friedlichen Wettbewerb mit andern
Völkern; auch wünscht sie keine Machterweiterung der Union nach außen.
Die Republikanische Partei dagegen will hohe Schutzzölle einführen, um
die Einfuhr von europäischen Waren zu mindern und den amerikanischen
Fabriken den Absatz zu sichern; auch strebt sie eine Verstärkung der See-
macht an und wünscht eine kräftige auswärtige Politik. Sie hat es be-
wirkt, daß die Vereinigten Staaten 1898 in einen Krieg mit Spanien
eintraten und ihm Euba und die Philippinen abnahmen. Eben-
so beteiligten sie sich an dem Chinesischen Feldzug, den die Großstaaten
Europas und Japan 1900—1901 zur Unterdrückung der Unruhen in
China mit Erfolg unternahmen. Dabei suchen sie die Erwerbung ameri-
konischen Gebiets durch Europäer möglichst zu hindern nach dem Grund-
satz: „Amerika den Amerikanern", den zuerst Präsident Monroe (1817—25)
aufgestellt hat und der nach ihm Monroe-Doktrin heißt. Das Ziel dieser
Politik ist: ein Bund aller Staaten von Nord- und Südamerika
unter Leitung der Vereinigten Staaten.
B. Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. des Großen.
1858—1888.
L Wilhelm I. bis zur Thronbesteigung.
1. Wilhelm als Prinz. Prinz Wilhelm war der zweite Sohn
Friedrich Wilhelms III. und wurde am 22. März 1797 zu Berlin ge¬
boren. Er hatte als Kind einen schwächlichen Körper, und daher wandte
sich ihm die besondere Liebe der Mutter, der Königin Luise zu. Ju fehlem
geistigen Wesen ähnelte er dem Vater; er war „einfach, bieder und ver-
ständig". Seine Lehrer rühmten an ihm die schnelle Auffassungsgabe, den
praktischen Verstand, die große Ordnungsliebe und den ernsten, gesetzten