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Charakter, alles Eigenschaften, die ihn für den Militärdienst besonders
tauglich machten. — In seine Knabenzeit fiel der furchtbare Niedergang
Preußens nach der Schlacht bei Jena, die schnelle Eroberung des Staates
durch Napoleon, die Flucht der königlichen Familie bis zur Ostgrenze und
der harte Tilsiter Friede. Die Erinnerung an den tiefen Schmerz der
Eltern, der seiner Mutter das Herz brach, prägte sich tief seinem weichen
Gemüte ein, und er lernte erkennen, daß Preußens Heil auf der Stärke
und Tüchtigkeit seines Heeres beruhe. Beim Beginn der Freiheitskriege
hielt ihn sein Vater noch nicht für kräftig genug, am Feldzuge teilzu-
nehmen; doch Ende 1813 wurde er zum Heere berufen. Er nahm an
dem Feldzuge 1814 teil und bewies in der Schlacht bei Bar für Aube
seine Unerschrockenheit; er erhielt dafür das Eiserne Kreuz und den
russischen Georgsorden, die er später stets am liebsten trug. Er zog mit
in Paris ein und nahm ebenso 1815 an dem zweiten Einzüge in Paris teil.
Nach dem Kriege widmete Prinz Wilhelm sich ganz der militärischen
Laufbahn. Er stieg schnell von Stufe zu Stufe und wurde bald die
Seele des Heeres. Durch peinliche Gewissenhaftigkeit und unermüdlichen
Fleiß war er das Vorbild der Soldaten; seine reichen militärischen
Kennwisse, verbunden mit klarer Einsicht und praktischem Blick, erwarben
ihm das Vertrauen und die Verehrung der Offiziere wie der Gemeinen.
Er galt als die Verkörperung des preußischen Soldatengeistes.
Vermählt war Prinz Wilhelm seit 1829 mit der Prinzessin
Augusta von Sachsen-Weimar, der Enkelin des Dichterfreundes Karl
August, die noch unter den. Augen Goethes aufgewachsen und zu einer
Freundin deutscher Kunst und Wissenschaft erzogen worden war. Am
18. Oktober 1831 wurde ihnen der Prinz Friedrich Wilhelm (später
Kaiser Friedrich III.) und 1838 die Prinzessin Luise (später Großherzogin
von Baden) geboren. Meistens wohnte er mit seiner Familie auf Schloß
Babelsberg, das ihm sein Vater hatte bauen lassen.
Als Friedrich Wilhelm IV. den Thron bestieg, ernannte er, da seine
Ehe kinderlos war, den Prinzen Wilhelm zu seinem Nachfolger mit dem
Titel „Prinz von Preußen". Er ließ ihm fast unumschränkte Freiheit
in Sachen des Heerwesens. Als einstiger Thronerbe richtete Prinz
Wilhelm seinen Blick nun auch auf die Fragen der inneren und äußeren
Politik. Auch ihm wurde es, wie seinem Bruder, schwer, der Einschrän-
kung der Königsmacht durch die Verfassung zuzustimmen; als er aber dies
als notwendig erkannt hatte, riet er dem Könige dazu und hat selbst stets
die neuen Verhältnisse gewissenhaft anerkannt. Am 18. März 1848 gab
er den dringenden Rat, der König möge erst den Aufstand ganz nieder-