Full text: Die vaterländische Geschichte von 1648 bis 1815 (Teil 3)

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m vieler Hinsicht Besserung von vielen alten Übeln erfahren. Männlichen 
Charakters, dabei von klarem Verstände und wahrer Herzensgüte, hatte sie 
das Los der leibeigenen Bauern erleichtert, die Volksbildung gehoben und 
das Kriegswesen völlig umgestaltet. Die unter Karl VI. sehr herunter¬ 
gekommenen Finanzen wurden wieder in Ordnung gebracht. In dieser 
Hmstcht hat sich namentlich der Kaiser Franz I., der sonst auf die innere 
Regierung wenig Einfluß hatte, verdient gemacht. Als dieser plötzlich ge- 
storben war, wurde sein älterer Sohn Joseph (1765—90), der bereits 
drei Jahre zuvor zum römischen Kaiser gekrönt war, von seiner Mutter 
zum^ Mitregenten ernannt. Joseph war ein Verehrer Friedrichs des 
Großen, dessen Regierungsweise sein Ideal war; vorläufig mußte er sich 
jedoch seiner Mutter unterordnen und mit seinen Reformideen zurück- 
halten. 
In Politischer Beziehung war das Einoernehmen zwischen Joseph und 
Friedrich dem Großen, das durch die gemeinschaftlichen Interessen bezüglich 
Polens herbeigeführt war, nicht von langer Dauer. Es wurde gestört durch 
Josephs ehrgeiziges Bemühen, Österreich durch Einverleibung des 
Kurfürstentums Bayern zu vergrößern. Dazu bot sich Gelegenheit, 
als im Jahre 1777 das kurfürstliche Haus von Bayern im Mannesstamme 
ausstarb. Die nächstberechtigten Ansprüche auf Bayern hatte der kinder- 
lose Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz. Joseph II. wußte aber den 
charakterschwachen Kurfürsten zu bewegen, daß er auf die Erbschaft von 
Bayern zu Gunsten Österreichs verzichtete. Damit war jedoch der dem- 
nächst berechtigte Erbe, der Herzog von Pfalz-Zweibrücken, nicht zufrieden, 
und ebensowenig viele andere deutsche Fürsten, die bei einem derartigen 
Vorgehen Österreichs schließlich auch Gefahr für sich befürchteten. Am 
wenigsten war Friedrich der Große geneigt, Österreichs Macht in Deutsch- 
land sich noch weiter ausdehnen zu lassen. Im Bunde mit Sachsen unter- 
stützte er die Rechte des Herzogs von Pfalz-Zweibrücken, rückte 1778 mit 
einem Heer in Böhmen ein und bezog bei Troppan eine feste Stellung. 
Zu einer Schlacht kam es aber nicht, weil beide Teile Bedenken trugen, 
die Schrecken des siebenjährigen Krieges zu erneuern. Friedensunterhand- 
lungen, die von beiden Teilen gepflogen wurden, führten bereits am 13. Mai 
1773 1779 zum Frieden von Tefchen, durch den an Österreich das „Inn- 
viertel" (die östliche Ecke zwischen Inn und Donau) und an Karl Theodor 
von der Pfalz das übrige Bayern fiel. 
■vsm Jahre 1780 starb Maria Theresia, und nun trat Joseph II. 
als Alleinherrscher an die Spitze' der Monarchie. Beseelt von dem 
Wunsche, die vergangene Zeit, die ihm verloren schien, einzuholen, vielleicht
	        
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