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54. o£utl)er auf dem Reichstage zu Worms. 1521.
Nach Johann Matthesius: „Historie von Dr. Martin Luthers Anfang, Lehre,
Leben und Streben." Nürnberg 1565. Selneccer: „Geschichtliche Erzählung und Rede
über Dr. Luther." Leipzig 1575. Cyriacus Spangenberg: „Adelsspiegel." —
3°h- Matthesius starb 1567 als Pfarrer zu Joachimsthal; er mar einer der treuesten
Schüler Luthers und ist sein bester Biograph.
In der Charwoche 1521 erschien bei Luther der kaiserliche Ehrenhold Kaspar
Sturm aus Oppenheim, der ihn gen Worms und wieder heim geleiten sollte, und
brachte den Äorladungsbries Karls V. vom 6. März 1521 auf den Reichstag zu Worms.
Derselbe lautet:
„Karl von Gottes Gnaden römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer
des Reichs u. s. ro.
Ehrsamer, Lieber, Andächtiger! Nachdem wir uns und des heiligen
Reichs Stände, jetzt hier versammelt, vorgenommen und entschlossen, der
Lehren und Bücher halben, so eine Zeit her von dir ausgegangen. Er-
kundigung von dir zu empsahen, haben wir dir herzukommen und von
dannen wiederum an ein sicher Gewahrsam unser und des Reichs frei ge-
strack Sicherheit und Geleit gegeben, das wir dir hieneben zusenden. Und
ist unser ernstlich Begehr, du wollest dich förderlich erheben, also daß du-
in den einundzwanzig Tagen in solchem unfern Geleit bestimmt gewißlich
hier bei uns seist und nicht außen bleiben wollest, dich auch keines Ge-
walts oder Unrechts besorgen. Denn wir dich bei dem obgemeldeten unfern
Geleit festiglich handhaben wollen, uns auch auf solche deine Zukunft (An¬
kunft) endlich verlassen. Und du thust daran unsere ernstliche Meinung.
Gegeben in unserer und des Reiches Stadt Worms am 6. Tage
des Monats März Anno 1500 und im einundzwanzigsten, unseres Reiches
im anderen Jahre. Carolus."
Auf solche kaiserliche Citation und Geleite machte sich Dr. Luther im
Namen Gottes auf den Weg und befahl sich allenthalben in guter Leute
Gebet. Unterwegs wurde er etwas schwach und unpaß, doch reisete er fort.
Wo er in eine Stadt zog, lief ihm das Volk entgegen vor die Stadt
und wollte den Wundermann sehen, der so kühn wäre und sich wider den
Papst und alle Welt, die ihn wider Christum für einen Gott gehalten,
legen durfte. Etliche trösteten ihn unterwegs sehr übel, daß, weil fo viele
Kardinäle und Bischöfe zu Worms am Reichstage wären, würde man
ihn flugs zu Pulver brennen, wie dem Hus zu Konstanz geschehen sei.
Aber denen antwortete Luther: „Und wenn sie gleich ein Feuer machten,
das zwischen Wittenberg und Worms bis gen Himmel reichte, so wollte ich
doch, weil ich gefordert bin, im Namen des Herrn erscheinen und dem
Behemoth in sein Maul zwischen seine großen Zähne treten und Christum
bekennen und denselben walten lassen."