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Gefahr meiner Seelen Seligkeit auf die vorgehaltenen Fragstücke richtig
antworten möge." Hierauf ratschlagten die Fürsten, und der Triersche
OMal brachte folgenden Bescheid: „Wiewohl du, Martin Luther, jetzt
aus kaiserlichem Mandat und Befehl genugsam hättest können verstehen,
wozu und warum du erfordert bist und derhalben nun nicht würdig wärest,
daß dir weiter und länger Bedenkzeit gegeben würde: läßt dir kaiserliche
Majestät doch aus angeborener Güte noch einen Tag zu bedenken, also daß
du morgen eben um diese Stunde gegenwärtig erscheinest, doch dermaßen
und mit dieser Bedingung, daß du deine Meinung nicht schriftlich, sondern
mündlich anzeigest und vorbringest." Darauf wurde Luther durch den
Herold wieder in seine Herberge geleitet. Auf dem Wege jauchzte ihm das
Volk zu, viele Adlige besuchten ihn und sagten: „Herr Doktor, wie
geht's, man sagt, sie wollen Euch verbrennen ? aber das muß nicht ge¬
schehen, sie müßten eher alle mit verderben." Ulrich von Hutten*)
aber schrieb an ihn, „den unüberwindlichen Theologen und Evangelisten,
seinen heiligen Freund," und redete ihm zu: „Streitet tapfer für Christum
und weichet dem Übel nicht, sondern gehet ihm getrost entgegen. Leidet
euch als ein guter Streiter Jesu, daß ihr erwecket die Gabe, die in
euch ist, und gewiß seid, daß der, an welchen ihr geglaubt habt, euch
eure Beilage bewahren könne bis an jenen Tag. Ich will auch tapfer daran
fein; doch hierinnen ist zwischen unserm Vornehmen ein Unterschied, daß
das meinige menschlich ist, ihr aber viel vollkommener ganz an göttlichen
Dingen hanget. Ich möchte gerne sehen, wie jene euch anschauen, was sie
euch für ein scheel Gesicht machen, wie sie das Maul aufsperren. Ich
stelle mir lauter schreckliche Dinge vor, und wird wohl so gehen; doch
hoffe ich, es sei Zeit, daß der Herr Zebaoth den Weinberg reinige, den
die wilden Säue verwüstet und ein sonderlicher Eber zerfressen hat. So
viel in großen Sorgen um euch, Christus erhalte euch!"
Folgenden Tages stellte sich Dr. Luther auf Erfordern wieder in des
Kaisers Hof ein, wo er wegen der Fürsten Geschäfte bis um 6 Uhr blieb,
und wartete unter einem großen Haufen Volks, das sich drückte und drängte,
denn jedermann wollte feine Antwort hören. Als sich nun die Fürsten
gesetzt hatten und Luther vor ihnen stand, fing der Offizial zu reden an
und forderte ihn auf, nach verlaufener Bedenkzeit endlich Antwort zu geben,
ob er feine anerkannten Bücher allzumal verteidigen oder etwas widerrufen
wolle. Darauf gab Luther aufs unterthänigfte fein züchtig und bescheiden
in christlicher Freudigkeit und Bescheidenheit diese Antwort: Zu seinen
Büchern bekenne er sich noch einmal. Was aber den zweiten Punkt belange,
bat er untertänigst, man möge wohl bedenken, daß seine Bücher nicht alle
*) H^tens Briefe an Luther in der Hallischen Ausgabe von Luthers Werken von
Walch. Bd. 15.