Full text: Deutsche Geschichte (Teil 2)

§ 31. Die Zeit von der Wiederherstellung des Deutschen Bundes zc. 181 
§ 31. Die Zeit von der Wiederherstellung des Deutschen Sundes bis 
zur Errichtung des neuen Deutschen Reiches. (1851—1871.) 
1. König Wilhelms Anfänge und die Heeresreform. Als Friedrich Wilhelm Prwz- 
Wilhelm IV. 1857 einem Gehirnleiden verfiel, übernahm der Prinz ^$„7! ort. 
von Preußen die Stellvertretung des Bruders. Von demselben zum 1858- 
Regenten ernannt, führte er die Regentschaft bis zum 2. Januar 1861. 
Erfüllt von echter Frömmigkeit und unerschütterlicher Pflichttreue, besaß 
er jede edle Maunestugeud. Er war als Hohenzoller in strenger 
preußisch-militärischer Art erzogen, doch sein Herz schlug auch warm für 
Deutschland, und nichts wurde ihm schwerer als der Entschluß zum 
Kriege. Mit sicherem Blick wußte er die begabtesten Männer für die 
höchsten Aufgaben auszuwählen und war in seinem Königsgefühl frei 
von jedem Neide. Sein wichtigstes und zugleich sein ganz persönliches 
Werk in jener Zeit war die Heeresreorganisation, durch die er die 
jährliche Rekrutenzahl von 40 000 auf 63 000 erhöhen und die Kriegs- 
tüchtigkeit des Heeres steigern wollte. 
Der energische, kenntnisreiche und redebegabte General v. Roon 
ward zum Kriegsminister ernannt, um sie durchzuführen. Das Ab- 
geordnetenhans, von blinder Vorliebe für die Landwehr erfüllt, war 
der Neuerung abhold und bewilligte die Mittel nur für ein Jahr. 
So brach zwischen ihm und der Staatsregieruug ein schwerer Konflikt 
aus. Der König berief nun seinen damaligen Gesandten in Paris, 
Otto von Bismarck-Schönhauseu, um als Ministerpräsident ein Otto von ms- 
neues Ministerium zu bilden. Otto v. Bismarck, am 1. April 1815 mapräpennfei= 
aus altmärkischem Rittergeschlecht entsprossen, besaß einen unerschöpflich 24. Sept. 186S. 
reichen Geist, eine unbeugsame Willenskraft, einen Scharfblick und eine 
Schlagfertigkeit fondergleichen; außer der Gottesfurcht kannte seine Seele 
keine Furcht. Er war seinem Könige in unerschütterlicher Treue ergeben 
und wurde der größte Staatsmann, den Deutschland je hervorgebracht, 
der Heros des deutschen Volkes. Als preußischer Bundestagsgesandter 
hatte er es erlebt, wie Österreich, statt sich mit Preußen freuudschast- 
lich zu verständigen, es mit Hilfe der Mittel- und Kleinstaaten zu 
überwältigen strebte, und war überzeugt, Preußen müsse mit den Waffen 
die Vorherrschaft in Deutschland erkämpfen. Im Konflikt mit dem Ab- 
geordnetenhause verfocht er mit der größten Entschiedenheit das Recht 
des Königs zur Heeresreorganisation und erklärte es im Falle der 
Budgetverweigerung für die Pflicht der Regierung, auch ohne Budgets 
für den Fortbestand des Staates zu sorgen. 
1) Unter dem Budget versteht man die geordnete Zusammenstellung der Aus- 
gaben und Einnahmen des Staates. Man gebraucht dafür auch die Bezeichnung 
Staatshaushalts etat.
	        
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