156 Neue Geschichte.
alters, hinreißen. Werdet Männer und geizet nach dem Ruhme großer Feldherren
und Helden. Wenn Euch dieser Ehrgeiz fehlte, so würdet Ihr des Namens von
Prinzen und Enkeln des großen Friedrich unwürdig sein."
Der ältere Sohn, Friedrich, tröstete seine Mutter in kindlich liebevoller
Weise, denn ihm standen die Worte bei jeder Gelegenheit trefflich zu Gebote: Wilhelm
aber stand schweigend da, so daß ihn die Umgebung für teilnahmlos hielt. Dennoch
hat er all die traurigen Eindrücke fest in sich aufgenommen und nie vergessen.
Die Reise ging weiter nach Königsberg, wo auch der König seine
Familie wieder traf. Die Freude des Wiedersehens nach langer uuruh-
voller Trennung wurden dem Prinzen Wilhelm noch dadurch erhöht,
daß ihm der Vater am Neujahrstage 180/ die Offizier suniform
schenkte. Auf der Weiterreise nach Memel und in Mcmel selbst litt
Prinz Wilhelm an einem heftigen Nervenfteber und konnte erst am
Anfang des Jahres 1808 wieder seinen Dienst als Lieutenant thun.
Aber kaum genesen, so rückte er mit dem Bataillon, welches der König
selbst führte, nach Königsberg, um hier fleißig zu exerzieren und an der
Neugestaltung des preußischen Heeres nach Kräften zu arbeiten.
Aus dieser Zeit stammt ein Brief der Königin Luise an ihren Vater, in dem
sie über ihren zweitm Sohn schreibt: „Unser Wilhelm wird, wenn mich nicht alles
trügt, wie sein Vater, einfach, bieder und verständig. Auch in seinem Äußeren hat
er die meiste Ähnlichkeit mit ihm." Die Fortschritte des Prinzen schildert uns der
Lehrer, der damalige Hauptmann Reiche, in seiner Lebensgeschichte mit den Worten:
„Besonders that sich Prinz Wilhelm durch schnelles Auffassen und durch einen
praktischen Verstand, durch große Ordnungsliebe, Talent zum Zeichnen und durch
einen, für sein Alter ernsten und gesetzten Charakter hervor. Es lag in ihm der
wahre, zuverlässige Soldat und Anführer, wie er es nachher auch in vollem Maße
geworden ist.
Am 24. Dezember 1809 durfte die Königsfamilie nach Berlin
zurückkehren, Prinz Wilhelm an der Spitze eines Garderegiments.
Schmerzliche Erfahrungen hatte der junge Prinz schon machen müssen,
doch die schmerzlichste stand ihm noch bevor. Denn am 19. Juli 1810
stand Wilhelm an dem Sterbelager seiner geliebten Mutter. (S. 125).
Alle diese Vorgänge haben auf Prinz Wilhelm einen bleibenden Eindruck
ausgeübt; den Vater hat er durch sein ernstes, folgsames Wesen ge-
tröstet, der Mutter aber über das Grab hinaus die treue Liebe eines
braven Sohnes bewahrt.
b. Prinz Wilhelm im Freiheitskriege. An der Erhebung des
deutschen Volkes im Jahre 1813 nahm> Prinz Wilhelm den lebhaftesten
Anteil: ein Krieger mit Leib und Seele, sah er seine Altersgenossen
todesmutig in den Kampf gehen; ein Prinz des Königshauses, dessen
Fürsten nie dem Schlachtfelde den Rücken gekehrt haben; ein Offizier
der Garde, die jubelnd unter seinen Augen Breslau verließ — er mußte
zu Hause bleiben. „Du bist so schwächlich" hatte der König gesagt,
„daß Du die Strapazen eines Feldzuges nicht ertragen kannst. Außerdem
denke an deine Mutter! Sie hat mich stets gebeten, Dich körperlich nicht
zu sehr anzustrengen. Ihr Wunsch entscheidet — Du bleibst." Damit
war die Sache abgemacht, der Prinz kannte die erste Tugend des Sol-
baten: den unbedingten, freudigen Gehorsam. Auch als er später im
Feldlager, wohin der König alle seine Kinder hatte kommen lassen, zum