Friedrich der Große. 65
Hier übernachtete der König in einigen Scheunen. Friedrich ließ sich durch
einen Pagen einige Pferde herbeiholen. Gegen drei Uhr stand er leise auf und verließ
in einer Verkleidung die Scheune. Aber ein wachthabender Kammerdiener bemerkte
ihn und meldete es dem Erzieher Friedrichs. Friedrich entschuldigte sich mit seinem
Spazierritt und wollte ein Pferd besteigen, das der Diener eben vorführte. Da
brachtet ihn die Offiziere mit Gewalt in die Scheune zurück und nötigten ihn, die
Uniform anzulegen. Der König verbarg seinen Zorn; erst in Preußen wollte er
über seinen Sohn richten; bis dahin ließ er ihn wie einen Gefangenen bewachen.
In Frankfurt wurde dem Vater der Brief Friedrichs an Katte eingehändigt, ans
welchem er den Fluchlplau des Sohnes vollständig erfuhr. Als er denselben am an¬
deren Morgen erblickte, schlug er ihm mit seinem Stock das Gesicht blutig. Friedrich
rief: „Me hat das Gesicht eines brandenbnrgischen Prinzen solche Schmach erlitten!"
Auf die Bitten der Offiziere willigte der König ein, den Kronprinzen während der
Rückreise nicht mehr zu sehen. Vor Bonn wurden die Begleiter des Prinzen dafür
verantwortlich gemacht, ihn tot oder lebendig wieder in'8 Schiff zu bringen. In
Wesel führte man Friedrich noch spät abends zum Verhör. Auf feines Vaters
Frage, warum er habe desertieren wollen, erwiderte er: „Weil Sie mich nicht wie
Ihren Sohn, sondern wie einen niederträchtigen Sklaven behandelt haben!" „Ihr
seid also nichts, als ein feiger Deserteur ohne Ehre!" schrie der Köuig. Der Krön-
prinz erwiderte: „Ich habe so viel Ehre wie Sie; ich habe nur gethan, was Sie
mir hundertmal gesagt haben, Sie würden es an meiner Stelle thnn." Voll Zorn
zog der König den Degen, um Friedrich zu durchbohren; der General von Mosel
aber warf sich zwischen beide und rief: „Durchbohren <Sk mich, aber schonen Sie
Ihres Sohnes." Der König ließ sich erbitten, auf die Teilnahme an dem Verhöre
zu verzichten. Mißtrauisch reiste er weiter, entfernt von Waldungen und Ortschaften
hielt er seine Mahlzeiten; denn er meinte, das „englische Geschmeiß" an seinem
Hose habe eine Verschwörung gegen ihn angezettelt. Als er in Berlin ankam, schrie
er seiner Gemahlin entgegen: „Euer unwürdiger Sohn ist nicht mehr, er ist tot!"
Auf vieles Jammern der Königin erklärte er, der Verräter lebe noch, müsse aber
sterben. Nur das ernste Wort der Oberhofmeisterin Frau von Kameke traf ihn:
„Gehen sie in sich, Majestät; Ihr erster Zorn ist verzeihlich, aber er wird zum Ver-
brechen, wenn Sie ihn nicht zu überwinden suchen!" Zu ihr sprach er: „Sie
sprechen freimütig zu mir; das vermehrt meine Achtung für Sie. Beruhigen Sie
meine Frau."
d. Strafe und Versöhnung. Alle, welche Friedrich gefällig
gewesen waren, selbst in ganz unschuldigen Dingen, wurden bestraft;
Friedrich selbst wurde als Deserteur auf das Schloß in Küstrin ge-
Krackt. Auf Befehl des Königs wurde die Thür mit zwei großen
Vorhängeschlössern versichert und täglich nur dreimal geöffnet. Die auf-
schließenden Offiziere sollten kein Wort mit Friedrich sprechen und ihm
bei Todesstrafe auf keine Frage antworten. Er sollte weder Messer
noch Gabel, weder Flöte noch Schreibzeug und Bücher, mit Ausnahme
der Bibel, erhalten; anfangs fehlten sogar Licht und Bett.
Das Kriegsgericht verurteilte zunächst Katte zur Ausstoßung aus
der Armee und zu mehrjähriger Festungshaft; der König verwarf das
Urteil und verhängte die Todesstrafe, und zwar sollte die Hinrichtung
unter Friedrichs Augen stattfinden. Friedrich war außer sich vor Schmerz,
als er den Freund zum Tode schreiten sah; er bat ihn flehentlich um
Verzeihung, worauf Katte erwiderte, daß er mit Freuden für den liebens-
würdigsten der Prinzen sterbe. Vergebens bat Friedrich, man möge
mit der Vollstreckung des Todesurteils warten und durch einen Eilboten
melden, er wolle sich dem Tode, der Thronentsagung oder ewigem Ge-
Hoffmeyer und Hering, Hülfsbuch III. 5