Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in Präparandenanstalten

Preußens Wiedergeburt. 263 
Franken aufbringen und bis zu deren völliger Abzahlung eine franzö¬ 
sische Besatzung von 150000 Mann ernähren! Dabei verfuhren die 
französischen Behörden mit größter Härte und Willkür. In dieser 
traurigen Lage richteten sich aller Augen auf einen Mann, auf den 
Freiherrn von Stein, der aus einem alten Rittergeschlechte m Nassau 
stammte und schon preußischer Minister gewesen war, aber diesen Dienst 
verlassen hatte, weil sein Rat, die Staatsverwaltung zu ändern, vom 
Könige nicht gebilligt worden war. „Wo bleibt denn Stein?" schrieb 
die Königin; „dies ist noch mein letzter Trost. Großen Herzens, 
umfassenden Geistes, weiß er vielleicht Auswege, die uns noch ver¬ 
borgen liegen." _ . v 
1). Neugestaltung der Staatseinrichtungen. Stem folgte dem 
Rufe des Königs. Er stellte sich eine zweifache Aufgabe: das 
Vaterland von dem französischen Heere und der augenblicklichen Schulden¬ 
last zu befreien und in dem Volke einen sittlichen, religiösen, vater¬ 
ländischen Geist wieder zu wecken. Zur Befreiung des Landes von 
dem fremden Heere bedurfte man Geld, um die Kriegssteuer zu zahlen. 
Zunächst sollten Ersparungen helfen. Die königliche Familie ging 
selber mit dem besten Beispiele voran. Nur die allernotwendigsten 
Hofbeamten und Diener wurden beibehalten; die Mittagstafel war so 
einfach, daß man damals an bürgerlichen Tischen besser speiste. Der 
große goldene Tafelaufsatz aus der Zeit Friedrichs des Großen ward 
zu Friedrichsdors ausgeprägt und zur Kriegszahlung mitbenutzt. Der 
König entschloß sich auf Steins Rat sogar zum Verkauf einiger Do¬ 
mänen. Das genügte aber noch nicht; es mußte — so ungern es 
der König auch that — eine besondere Steuer ausgeschrieben werden; 
was nun noch fehlte, wurde durch ein Anlehen gedeckt. Zum Schlüsse 
des Jahres 1808 war das Land frei; unter dem Jubel der Bevölkerung 
zogen wieder preußische Truppen in die Hauptstadt ein. (Die königliche 
Familie kehrte erst am 23. Dezember 1809 zurück.) 
Noch mehr aber als auf die Gegenwart war die Sorge der Re¬ 
gierung auf die Zukunft gerichtet. Zuerst richtete die Regierung ihr 
Augenmerk auf den Bauernstand, dessen Bedeutung in dem durch 
den Krieg verödeten Lande jedermann klar war. Bisher war der Bauer 
seinem Gutsherrn zwar nicht leibeigen, aber doch erbunterthänig. 
Er besaß den Acker, den er bebaute, nicht als freies Eigentum, sondern 
hatte ihn von dem Gutsbesitzer nur zum Nießbrauch und mußte diesem 
dafür Frondienste leisten oder Geld, Getreide n. s. w. liefern. Ohne 
Erlaubnis des Gutsherrn durfte er nicht fortziehen, seine Kinder durften 
sich ohne dessen Einwilligung nicht verheiraten oder in fremde Dienste 
treten. Dem Bauer fehlte die Freudigkeit bei der Arbeit und der 
Antrieb, seinen Grund und Boden zu verbessern. Zwar hatten schon 
Friedrich Wilhelm I. (S. 207) und Friedrich der Große (S. 234) 
die Lage der Bauern zu bessern gesucht, und das Preußische Landrecht 
-S. 236) hatte die Leibeigenschaft in Preußen für aufgehoben erklärt;
	        
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