2 Erste Abtheilung. Erster Abschnitt.
sich vereinigen, und von wo Gebirgspässe und Flußthäler wie Radien
von ihrem Centrum ausgehen, durch welche die Völkerströme in die
Tiefländer der Peripherie nach Osten und Westen hin geleitet wurden.
Während aber die nach dem Osten Asiens gehenden Wanderströme
die Völker zur Absonderung und Erstarrung führen, steht den in
westlicher Richtung ausgewanderten Völkern Vielsache Begegnung und
vielfacher Austausch des auf ihrem Wege gefundenen Ertrags der Bildung
bevor: die Weltgeschichte schreitet von Osten nach Westen.
Frühe, aber stehengebliebene Cnltnr in China und ihre Ursachen.
§ 3>rt China entwickelte sich aus dem Gebiete des nüchternen
und praktischen Verstandes frühzeitig eine überraschende materielle
Cultur, die sich aber nie in die geistigen und idealen Regionen erhob.
Die Natur war in dem mit üppiger Vegetation gesegneten Gebiete
des Hoangho und Aantsekiang mit ihren Gaben zu freigebig, und
es fehlten die natürlichen Druckwerke, die den Aufschwung des Geistes
fördern. Die Nebenflüsse dieser Ströme veranlagen ein ausgedehntes
Bewässerungssystem des Landes durch Canalisation, und der über
dasselbe verbreitete Flußschiffahrtsverkehr führte von der fetten Mün¬
dungsgegend an den beiden Hauptströmen, dem ernährenden Magen
des Reiches, und von den großen Fruchtseldern um Canton aus den
entferntem Theilen des Reiches nicht nur Nahrungsstoffe in Fülle
zu, sondern breitete auch die frühgewonnene Cultur über das ganze
Land aus.^ Diese erzeugte bei ihrer geographischen Abgeschlossenheit
eine befchränfte-(Selbstgenügsamkeit, einen hochmüthigen Nationaldünkel,
und wurde infolge dessen so unveränderlich, daß sie seit Jahrtau¬
senden von den Generationen in der Hauptsache nur reprodueirt
worden ist. Die eingewanderten Nomaden des Hochlandes wurden in
der wasserreichen Ebene auf ihren Kähnen, schwimmenden Dörfern und
Gärten zum Theil zu Wassernomaden des Tieflandes und fanden
auf ihren Flüssen und Canälen hinreichende Beschäftigung mit dem
beweglichen Elemente des Wassers. Nichts trieb sie fort, nichts lockte
sie: nicht der ungeheure Oeean; denn die Schiffahrt bemächtigt sich
erst dann des Oeeans, nachdem ein Mittelmeer hinreichende Uebung
dargeboten hat, und das fehlte den Chinesen.
Frühe, aber ebenfalls stabile Cultur in Indien, insbesondere Religion und
Kasteilwesen der Inder.
§ 3. Wie in China, so wurde auch in Indien in frühester Zeit
die Staatenbildung durch ein Land der Mitte, durch das gesegnete Meso¬
potamien zwischen Dschamuna und Ganges, dem Brennpunkte indischer
EntWickelung, begünstigt. Hier herrscht der üppigste Pflanzenwuchs; denn
nach den befruchtenden Anschwellungen des Ganges solgt tropische Treib-
haushitze. Hier entstanden daher Alt-Indiens berühmte Städte, hier
gründeten auch später die muselmännischen Eroberer ihre Delhi und Agra.