VI. Die Genesis der Reformation.
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Astrologie. Gesünder waren die kirchlichen Reformgedanken, die
bei den Mystikern Meister Eckhart, Joh. Tauler (14. Jh.), den
Brüdern des gemeinsamen Lebens in den Niederlanden (Gerhard
Groot von De venter), Thomas von Kempen (15. Jh.) zu tage traten.
Diese Männer richteten sich nicht gegen das Prinzip, sondern
gegen die Verderbnis in der damaligen Kirche; kühner waren
Johann von Goch und Johann Wessel von Groningen. Im allge¬
meinen erschien den Menschen des ausgehenden 15. Jh. alles
Bestehende in Kirche, Staat und Gesellschaft unhaltbar, alle Ver¬
hältnisse verrottet. Dieser Geist spricht aus den Fastnachts¬
spielen des Hans Eosenblüt und Hans Folz wie aus den Volks¬
liedern. So erklärt sich die begeisterte Aufnahme von Sebastian
Brants Narrenschiff (1494) und Erasmus’ Lob der Narrheit
(1511), so auch der jubelnde Enthusiasmus, als man am 31. Okt.
1517 an der Wittenberger Schloßkirche einen Anschlag des dor¬
tigen Professors der Theologie Martin Luther las.